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Kleines Land mit großem Wachstum

Cathrina Claas-Mühlhäuser, Stellvertretende Vorsitzende des Ost-Ausschusses, begrüßte den armenischen Premierminister zum Wirtschaftsgespräch in Berlin. Foto: A.Metz
03.03.2023
Armeniens Wirtschaft entwickelt sich dynamisch / Roundtable des Ost-Ausschusses mit Premierminister Nikol Pashinyan in Berlin 

Rund 30 Unternehmensvertreter kamen auf Einladung des Ost-Ausschusses und SAP am 2. März in den Berliner SAP Data Space zu einem Business Roundtable mit dem armenischen Premierminister Nikol Pashinyan. Armeniens Wirtschaft gehörte 2022 mit einem Plus von 12,5 Prozent zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften weltweit. Auch der deutsch-armenische Handel wies mit einem Plus von 120 Prozent im vergangenen Jahr eine hohe Dynamik auf. Entsprechend groß war das Interesse an der Runde.

Für den Ost-Ausschuss begrüßten die Stellvertretende Vorsitzende Cathrina Claas-Mühlhäuser und Regionaldirektor Stefan Kägebein die armenische Delegation, zu der auch die Stellvertretenden Minister für Auswärtiges und Wirtschaft gehörten. Claas-Mühlhäuser sprach in Ihrer Anmoderation von einer „wachsenden und nachhaltigen Partnerschaft“ mit dem Kaukasus-Land und markierte als besonders spannende Felder für neue bilaterale Projekte unter anderem die Themen Digitalisierung, Grüne Transformation und Landwirtschaft. Co-Gastgeber Mike Cosse, Leiter Global Strategy & Operations bei der SAP AG, unterstrich die armenische Erfolgsstory im IT-Sektor. Aus diesem Grund habe SAP bereits 2016 ein Büro in Jerewan eröffnet und wolle sich weiter intensiv in die Digitalisierung der armenischen Verwaltung einbringen.  

Reformagenda trägt Früchte

Premier Pashinyan verwies in seiner Einführungsrede auf das starke Wachstum seines Landes von 12,5 Prozent im vergangenen Jahr. Dies sei das Ergebnis der großangelegten Wirtschaftsreformen, die nach der „Velvet Revolution“ von 2018 unter seiner Regie eingeführt worden waren. Monopole seien beseitigt, die Wirtschaft liberalisiert worden. Inzwischen sei Armenien im Index für Wirtschaftsfreiheit weltweit auf Platz 11 vorgerückt. Der IT- und der Finanzsektor seien bereits führend, nun gelte es, den bestehenden Nachholbedarf in der Infrastruktur und in der Landwirtschaft aufzuholen. „Infrastruktur ist entscheidend für Wirtschaftswachstum. Wir arbeiten hart daran die Qualität der Straßen zu verbessern“, betonte Pashinyan. Für die Agrarwirtschaft plant der Premier gar eine „Revolution“. Durch ein Programm wolle man kleinteilige Agrarflächen zu größeren zusammenlegen und durch moderne Technik die noch aus der Sowjetzeit stammenden Produktionsdefizite endlich überwinden. Diesen Ball nahm sogleich Per Brodersen von der German Agribusiness Alliance beim Ost-Ausschuss auf und bot eine enge Partnerschaft zur Modernisierung des armenischen Agrarsektors an.

Große Ausbaupläne hat der Premier auch für den Bildungssektor. Der Bau von 300 Schulen und 500 Kindergärten sei notwendig. Auch hier wünscht sich Pashinyan die Beteiligung deutscher Unternehmen, die Serienlösungen für mindestens zehn bis zwölf Schulen anbieten könnten. Investoren verspricht die armenische Regierung einen freien Markt, internationale Rechtsstandards und günstige Steuern. So sei die Einkommenssteuer gerade auf einen einheitlichen Satz von 20 Prozent abgesenkt worden. 

„Brain gain“ als Folge des russischen Krieges

Ein entscheidender Faktor für die armenische Wachstumsgeschichte im Jahr 2022 war die Einwanderung von rund 55.000, meist gutsituierten Arbeitskräften aus Russland als Folge des russischen Krieges gegen die Ukraine. Sie trugen dazu bei, dass das Pro-Kopf-Einkommen in Armenien innerhalb eines Jahres um 40 Prozent wuchs. Diese Fachkräfte dauerhaft zu integrieren hält Ricardo Giucci vom Berliner German Economic Team Armenia für ganz entscheidend für die Weiterentwicklung des Landes. Giucci stellte die Ergebnisse einer Umfrage unter russischen Einwanderern vor. Demnach planen immerhin 45 Prozent der Zuwanderer dauerhaft im Land zu bleiben. Um einen nachhaltigen „brain gain“ für Armenien zu erreichen, regte Giucci einen engen Dialog der armenischen Regierung mit den Zuwanderern an und sprach sich für die Entwicklung eines IT-Parks aus, in dem die Zuwanderer mit den einheimischen IT-Kräften eng zusammenarbeiten könnten.

Große Fortschritte machte Armenien zuletzt als internationaler Finanzplatz. Auch hier sorgte der Ausfall Russlands infolge der internationalen Sanktionen für einen Aufschwung. Bezüglich der internationalen Sanktionen gegen Russland stellte der Premier klar, dass Armenien Sanktionsumgehungen über sein Land verhindern wolle. Dies sei entscheidend für die Reputation des Landes als Investitionsstandort. 

Beim Thema Logistik kündigte Pashinyan an, die Warenströme Richtung Iran und die Golfstaaten durch neue Grenzübergänge zu erleichtern. Zudem seien mehr Green Lines in Planung, um den Transit zu beschleunigen. In diesem Bereich sei das Thema Korruption noch ein gravierendes Problem, das man nun eliminieren möchte. Zuletzt habe es viele Verhaftungen gegeben. „Wir versuchen junge Leute für den Zolldienst zu gewinnen, Gehälter anzuheben, um die Korruption zu beseitigen“, erläuterte der Premier seine Strategie.

In Punkto Energie plant Armenien laut Pashinyan neben dem Ausbau der Nuklearenergie auch die Entwicklung von Windparks. Daher habe man den Energiemarkt gerade liberalisiert und wolle die Aktivitäten der Privatwirtschaft stark ausweiten. Noch aber fehlten erfolgreiche Referenzprojekte. Deutsche Unternehmen seien eingeladen, dies zu ändern. Auch beim Thema Wasserstoff sehe man Potenzial. 

Zum Download: Studie des German Economic Team zu Flüchtlingen aus Russland in Armenien.

Nachstehend finden Sie zwei Factsheets zu Programmen der armenischen Regierung, mit denen der Einsatz ausländischer Expertise gefördert (Highly qualified professionals) und die Anschaffung von Technik finanziell unterstützt wird (Loan and leasing subsidy). Ansprechpartner zu den Programmen im armenischen Wirtschaftsministerium ist Rafayel H. Gevorgyan, rgevorgyan@mineconomy.am.
 

Andreas Metz
Leiter Public Affairs

Ansprechpartner

Stefan Kägebein
Regionaldirektor Osteuropa
T. +49 30 206167-113
S.Kaegebein@oa-ev.de

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