Direkt zum Inhalt

Deutsche Unternehmen trotzen der Corona-Krise

Foto: Ost-Ausschuss
09.12.2020
Geschäftsklima-Umfrage Russland 2021/ 69 Prozent sehen Eintrübung des Geschäftsklimas/ Unternehmen mit eigener Geschäftslage überwiegend zufrieden

Das Geschäftsklima in Russland und die Erwartungen der deutschen Unternehmen haben sich vor dem Hintergrund der Corona-Krise spürbar eingetrübt. Vor allem die starke Abwertung des Rubel und die coronabedingten Grenzschließungen machen den Unternehmen zu schaffen. Große Sorge bereitet auch die politische Krise im deutsch-russischen Verhältnis. Mit ihrer eigenen Geschäftslage sind die deutschen Unternehmen im Russland-Geschäft dennoch überwiegend zufrieden. Dies sind zentrale Ergebnisse der 18. Geschäftsklima-Umfrage Russland, die die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer (AHK) und der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft im November 2020 gemeinsam durchgeführt haben. An der Umfrage haben sich 109 Unternehmen beteiligt, die in Russland 60.000 Mitarbeiter beschäftigen und 13 Milliarden Euro umsetzen.

„Die Corona-Epidemie und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen hinterlassen in der diesjährigen Umfrage natürlich ihre Spuren im Geschäftsklima“, kommentierte der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Oliver Hermes die Ergebnisse in einer Online-Pressekonferenz. „Dennoch sind die deutschen Unternehmen in ihrer großen Mehrheit mit ihrem Russland-Geschäft zufrieden. Russland bleibt für die meisten Unternehmen ein sehr wichtiger Markt. Große Sorgen bereitet uns neben Corona aber die Verschlechterung des politischen Klimas zwischen Deutschland und Russland. Diese doppelte Krise muss für uns alle ein besonderer Ansporn sein, wieder stärker auf Zusammenarbeit und gemeinsame Themen wie den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft und Kooperationen in der Industrie und der Digitalen Transformation zu setzen. Gerade der IT-Sektor wird inzwischen als wachstumsstärkste Branche in Russland betrachtet. Dies eröffnet der deutschen Wirtschaft im Zuge der Digitalisierung große Kooperationschancen.“

Rainer Seele, Präsident der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer, lobt die große Anpassungsfähigkeit der deutschen Unternehmen auf dem russischen Markt in den vergangenen Monaten, hofft aber gleichzeitig auf deutlich stärkere Konjunkturimpulse durch die russische Regierung 2021: „Durch die kluge Finanzpolitik der vergangenen Jahre hat die russische Regierung noch große Reserven, die sie jetzt einsetzen sollte. Dann verbessern sich auch die Wachstumsaussichten“, betonte Seele.

69 Prozent der befragten deutschen Unternehmen beurteilen die Entwicklung des Geschäftsklimas im ablaufenden Jahr negativ (Vorjahr 31 Prozent), nur zwölf Prozent sehen einen positiven Trend (Vorjahr 30 Prozent). Als mit Abstand größten Störfaktor im Russland-Geschäft bewerten die Unternehmen in diesem Jahr den Wechselkurs (72,5 Prozent), gefolgt von den Anti-Corona-Maßnahmen (45 Prozent).

Trotz Corona: Mehrheit mit Geschäftslage zufrieden

Mit ihren Umsätzen sind die deutschen Unternehmen im Russland-Geschäft trotz der widrigen Umstände mit großer Mehrheit unverändert zufrieden: 37 Prozent bewerten die eigene Geschäftslage in Russland mit gut bis sehr gut (Vorjahr 41 Prozent), 52 Prozent mit befriedigend. Nur elf Prozent bezeichnen sie als schlecht oder sogar sehr schlecht (Vorjahr acht Prozent). Immerhin ein Drittel der Unternehmen will künftig mehr Mitarbeiter in Russland beschäftigen.

„Trotz Corona, Sanktionen und globalen Handelskonflikten vertraut die deutsche Wirtschaft in den russischen Markt“, so AHK-Präsident Rainer Seele. „Nach dem pandemiebedingten Rückgang im Sommer investierten die deutschen Unternehmen im dritten Jahresquartal netto knapp 690 Millionen Euro im größten Flächenstaat der Erde. Vor allem mittelständische und familiengeführte Unternehmen denken strategisch und lassen sich nicht von Krisen abschrecken.“

47 Prozent der Befragten beobachten durch die Pandemie und die Corona-Maßnahmen starke (39 Prozent) oder sehr starke (acht Prozent) Auswirkungen auf ihr Geschäft. Die Hälfte der Unternehmen fühlt sich davon dagegen wenig oder sogar sehr wenig betroffen. Bei den konkreten Beeinträchtigungen stehen für 82 Prozent der Befragten die Reisebeschränkungen ganz oben auf der Liste.

Verhaltener Ausblick auf 2021

Sehr skeptisch blicken die Unternehmen allerdings auf die wirtschaftliche Entwicklung Russlands in den kommenden zwölf Monaten: Nur 36 Prozent der Befragten rechnen nach der Rezession im Jahre 2020 mit einer positiven Wirtschaftsentwicklung im Jahr 2021 (Vorjahr 43 Prozent), aber 37 Prozent befürchten eine Stagnation, 15 Prozent sogar eine negative Entwicklung.

„Die Corona-Krise wirkt sich negativ auf die Entwicklung der Wirtschaft aus“, kommentiert Rainer Seele. „Eine umfassende Öffnung des Flugverkehrs für Geschäftsreisende von Spitzenmanagern bis zu Technikern würde wie ein kostenloses Konjunkturpaket wirken und in Russland sowie Deutschland und der Europäischen Union insgesamt für dringend nötiges Wachstum der Wirtschaft sorgen. “

Entsprechend verhalten sind auch die Exporterwartungen für 2021: 61 Prozent der befragten deutschen Unternehmen rechnen im kommenden Jahr mit stagnierenden Exporten (Vorjahr 64 Prozent), 16 Prozent - und damit mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr - mit einem Rückgang ihrer Russland-Ausfuhren. Nicht einmal ein Viertel erwartet 2021 steigende Lieferungen nach Russland. „Bereits in den ersten neun Monaten 2020 sind die deutschen Ausfuhren nach Russland um fast 14 Prozent zurückgegangen“, sagte Hermes. „Dazu tragen die Rubelschwäche und der Konjunktureinbruch maßgeblich bei. Umso wichtiger ist es, dass bestehende Handelshürden wie zum Beispiel Sanktionen, ambitionierte Lokalisierungsvorschriften oder unterschiedliche technische Standards abgebaut werden. Sonst verliert Russland unter unseren Top-Handelspartnern weiter an Boden.“

Bilaterale Beziehungen dramatisch verschlechtert

Die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland haben sich nach Einschätzung von 70 Prozent der befragten Unternehmen in den zurückliegenden zwölf Monaten verschlechtert (Vorjahr acht Prozent). „Das ist ein dramatischer Wert“, sagte Hermes. „Dieser Entwicklung dürfen wir nicht tatenlos zusehen. Die Verständigung zwischen Russland und Deutschland muss jenseits aller Differenzen in beiden Ländern Staatsräson bleiben. Umso wichtiger sind in dieser Situation der Ausbau der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit.“ Noch in diesem Dezember werde sich der Ost-Ausschuss zusammen mit der AHK Moskau an der Gründung eines neuen deutsch-russischen Unternehmerrates aktiv beteiligen, kündigte Hermes an. Zudem werde der Ost-Ausschuss im Auftrag des Auswärtigen Amtes von deutscher Seite das Deutsch-Russische Jahr für Wirtschaft und nachhaltige Entwicklung 2020-2022 koordinieren. „Dieses neue Themenjahr, das noch im Dezember beginnt, wird uns vielfältige Möglichkeiten eröffnen, gerade die deutsch-russische Zusammenarbeit im Klimaschutz zu intensivieren.“

Eine stärkere Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland wird laut Umfrage auch von vielen Unternehmen gefordert. Ganz vorne steht dabei die Modernisierung und Effizienzsteigerung in der Industrie, aber auch die Angleichung von Normen und Standards sowie die „grünen“ Themen Energie und Klimaschutz als auch Recycling/Abfallwirtschaft. „Wenn wir bei diesen Schlüsselthemen eine koordinierte Strategie der EU und Russlands entwickeln würden, könnten wir uns als Kontinent im internationalen Wettbewerb mit China und den USA besser behaupten“, sagte der Ost-Ausschuss-Vorsitzende. Die Konkurrenz chinesischer Unternehmen auf dem russischen Markt hat nach Einschätzung von 60 Prozent der befragten Unternehmen in den vergangenen zwölf Monaten zugenommen.

Große Mehrheit für Abbau der Sanktionen und Nord Stream 2

Die befragten Unternehmen wünschen sich unverändert mit überwältigender Mehrheit (89 Prozent) einen Abbau der Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Dabei votieren 58 Prozent der Befragten für einen schrittweisen Abbau (Vorjahr 51 Prozent), 31 Prozent sprechen sich für deren sofortige Aufhebung aus (42 Prozent). In den letzten Monaten ist insbesondere die Ostseepipeline Nord Stream 2 verstärkt Ziel neuer US-Sanktionen geworden. Die befragten Unternehmen befürworten das Pipeline-Projekt mit großer Mehrheit: Für 41 Prozent ist Nord Stream 2 ein wichtiger Beitrag zur mittel- bis langfristigen europäischen Energieversorgung, für 29 Prozent ist die Pipeline sogar unverzichtbar. Nur 15 Prozent der Befragten halten die Pipeline mittel- bis langfristig für überflüssig.

AHK-Präsident Rainer Seele übt Kritik an den amerikanischen Sanktionen gegen Nord Stream 2: „Europa darf sich bei energiepolitischen Fragen nicht von den USA bevormunden lassen. Es ist das Hoheitsrecht von Deutschland und Europa, dass wir uns um unsere Energiepolitik selbst kümmern. Damit die Versorgungs- und Wettbewerbssicherheit zu unserer Zufriedenheit geregelt werden.“

Auch für den Ost-Ausschuss ist die Fertigstellung der Nord-Stream-2-Pipeline von höchster Priorität: „Wir hoffen, dass die Biden-Administration erkennt, welcher Schaden im transatlantischen Verhältnis und für die Demokratie in Europa angerichtet wird, wenn die USA ein von der EU nach allen rechtlichen Grundsätzen genehmigtes Projekt zerstören. Der Regierungswechsel in Washington bietet die Chance für einen Kompromiss und damit einen Neustart im Verhältnis EU, USA und Russland“, betont Oliver Hermes. Generell sind die Erwartungen der deutschen Unternehmen in Russland an eine neue US-Regierung Biden sehr verhalten. Drei Viertel erwarten keine unmittelbaren Auswirkungen des Regierungswechsels auf ihr Russland-Geschäft. 13 Prozent erwarten eher negative, neun Prozent eher positive Effekte.

Ansprechpartner

Christian Himmighoffen
Leiter Presse und Kommunikation
Tel.: 030 206167-122
C.Himmighoffen@oa-ev.de

Diese Seite teilen: