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Außenminister Maas kontert Kritik an Nord Stream 2

Der OAOEV-Vorsitzende Büchele (re.) begrüßte Außenminister Maas zum Neujahrsempfang. Foto: © Amélie Losier
10.01.2019
Plädoyer für neue europäische Ostpolitik/ Neujahrsempfang in Berlin

Rund 250 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Diplomatischem Corps konnte der Ost-Ausschuss – Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft am 10. Januar 2019 zu seinem traditionellen Neujahrsempfang in der Berliner Kalkscheune begrüßen. Bundesaußenminister Heiko Maas nutzte seine Keynote, um ausführlich die Ziele der deutschen Außenpolitik zu erläutern. Maas geht es um ein Gegengewicht gegen die „America First“-Politik des US-Präsidenten. Er möchte den Zusammenhalt in der EU stärken und die EU-Partner für eine „europäische Ostpolitik“ gewinnen. Auch dem Dialog mit Russland misst er zentrale Bedeutung bei. Deutschland sieht Maas in der Rolle eines Bindegliedes zwischen unterschiedlichen Interessen in Europa.

In seiner Begrüßungsrede richtete der Vorsitzende des Ost-Ausschuss – Osteuropavereins Wolfgang Büchele den Blick auf das neue Jahr. Mit dem 30. Jahrestag des Mauerfalls und des Beginns des Transformationsprozesses wird 2019 ein zentrales Ereignis für die Entwicklung in den 29 Ländern des OAOEV gefeiert. „Die Europa-Wahlen im Mai könnten EU-Gegner in großer Zahl ins Parlament bringen. Welchen Beitrag wir dazu leisten können, die EU zu stärken, darüber müssen wir 30 Jahre nach Beginn der Transformation besonders nachdenken“, sagte Büchele und griff in diesem Zusammenhang ein Zitat von Bundesaußenminister Heiko Maas auf: „Mut zu Europa – Europe United“.

Büchele zählte eine Reihe von erfreulichen Entwicklungen im zurückliegenden Jahr auf und lobte hier insbesondere die Reformfortschritte in Mazedonien und Usbekistan. Der deutsche Handel mit Osteuropa sei erneut stärker gewachsen als der deutsche Handel insgesamt. Zu den großen Sorgen der deutschen Wirtschaft in Osteuropa zählen dagegen neben einem zunehmenden Fachkräftemangel und Konflikten einiger EU-Ländern mit Brüssel vor allem der ungelöste Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. Dringend benötigte Fortschritte im Minsker Friedensprozess würden durch Vorfälle wie jüngst im Asowschen Meer und die Gefangennahme ukrainischer Matrosen ausgebremst, kritisierte Büchele. „Diese Soldaten müssen schnellstens freigelassen und der freie Zugang zu den ukrainischen Häfen garantiert werden.“

Neue Agenda für Russland

Büchele betonte, dass trotz der gravierenden Konflikte langfristig kein Weg an einer engen Partnerschaft zwischen der EU und Russland vorbeiführe. „Wir sind in diesem Jahrhundert, das nach Lage der Dinge kein europäisches, sondern ein asiatisches sein wird, mehr denn je aufeinander angewiesen“, betonte der OAOEV-Vorsitzende. „Um die Zukunft gemeinsam zu gestalten, brauchen wir jetzt eine echte Strategie, eine neue Agenda für die europäisch-russischen Beziehungen“. Grundzüge dieser „Neuen Agenda“ beschreibt der OAOEV in einem neuen Russland-Positionspapier, das am 11. Januar vorgestellt wurde.

In seiner Vorstellung des Bundesaußenministers griff Büchele dessen Vorschlag einer „europäischen Ostpolitik“ auf. „Für mich persönlich bedeutet dies, unseren osteuropäischen EU-Partnern und Russland stärker zu vermitteln, warum es sich lohnt, an der Überwindung historischer Feindschaften zu arbeiten. Nur so bringen wir Europa insgesamt voran und schaffen Sicherheit auf unserem Kontinent.“ Kritik übte Büchele an den Versuchen aus den USA, die Wirtschafts- und Energiepolitik in Europa mit Drohungen von Sanktionen und Strafzöllen zu beeinflussen. „Damit werden demokratisch gewählte Regierungen geschwächt und tiefsitzende antiamerikanische Klischees bedient“, kritisierte Büchele. „Hier steht inzwischen mehr auf dem Spiel als ein Wirtschaftsprojekt wie Nord Stream 2 oder wirtschaftliche Beziehungen mit dem Iran. Es geht um unsere Selbstachtung und unsere Souveränität.“

Maas wirbt für europäische Ostpolitik

In der folgenden Keynote des Abends warb Bundesaußenminister Heiko Maas für eine neue „europäische Ostpolitik“ jenseits des Minimalkonsenses in der EU. Ein „Kernbestandteil“ müsse das Verhältnis zu Russland sein. Ohne Russland sei die Lösung vieler internationaler Konflikte nicht möglich. Maas, dem häufig eine kritische Haltung zu Russland attestiert wird, wies auf seine intensiven Kontakte und häufigen Gespräche mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow hin, den er noch im Januar erneut treffen wolle. Seit seinem Amtsantritt im März 2018 seien bereits eine Reihe von ausgesetzten Gesprächsformaten mit Russland reaktiviert worden. Maas betonte hier insbesondere die Notwendigkeit eines Dialogs mit Russland in Sicherheitsfragen. Der INF-Vertrag über atomare Rüstungsbegrenzung zwischen Russland und den USA müsse erhalten bleiben. Dafür wolle sich Deutschland auch mit Hilfe des zum 1. Januar übernommenen Sitzes im UN-Sicherheitsrat engagieren.

Der Außenminister betonte vor allem die Bedeutung eines geschlossenen Auftretens der EU und einer regelbasierten internationalen Ordnung. Im Rahmen der „Drei-Meeres-Initiative“ östlicher EU-Länder wolle Deutschland die Rolle eines Bindegliedes zu Brüssel und den westeuropäischen EU-Ländern übernehmen. Die neue europäische Ostpolitik müsse zudem die Ukraine, Belarus, den Kaukasus und Südosteuropa einbeziehen.

Nord Stream 2 auch im ukrainischen Interesse

Mit klaren Worten verteidigte Maas das Pipelineprojekt Nord Stream 2 gegen internationale Kritik. Das Projekt sei „kein deutsch-russischer Sonderweg“, wie Kritiker fälschlich behaupteten. Im Hinblick auf die Ukraine und deren Sorge bezüglich sinkender Einnahmen aus dem Transit russischen Gases betonte Maas, dass Berlin die ukrainischen Interessen in den Gesprächen mit Russland mit vertreten würde. Würden dagegen aufgrund von Sanktionen deutsche und europäische Unternehmen aus dem Projekt Nord Stream 2 verdrängt, werde es niemanden mehr gebe, der auf den Erhalt des russischen Gastransits durch die Ukraine drängen könne. Unmissverständlich wies Maas den Druck von Seiten der USA gegen das Projekt zurück: „Fragen der europäischen Energiepolitik“ müssten in Europa entschieden werden, „nicht in den USA“, sagte Maas und wandte sich gegen Bestrebungen der USA, die Ostseepipeline mit Sanktionen zu belegen.

Maas würdigte zudem die Arbeit des OAOEV und seiner Mitglieder und wies auf die Bedeutung Osteuropas für die deutsche Wirtschaft hin. Der deutsche Handel mit der Region sei größer als der deutsche Außenhandel mit den USA und China zusammengenommen.

Während des anschließenden Empfangs im Lounge-Bereich der Kalkscheune nahm sich der Bundesaußenminister noch Zeit, um Mitglieder und Partner des OAOEV kennenzulernen und mit den Vertretern der Botschaften zu netzwerken. Unter den 250 Gästen des Empfangs wurden in diesem Jahr Vertreter von über 20 Botschaften gezählt.

Andreas Metz, Christian Himmighoffen
Abteilung Presse und Kommunikation im OAOEV

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