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Zentralasiatische Doppelpässe

v.l.n.r.: OA-Präsidiumsmitglied Grundke, die stellvertretende OA-Vorsitzende Claas-Mühlhäuser und Premier Aripov in Frankfurt; Foto: C. Himmighoffen/OA
09.11.2021
Regierungsvertreter aus Kasachstan und Usbekistan werben in Frankfurt gemeinsam um deutsche Investoren

Ausbildungspartnerschaften, Rohstoff- und Energiekooperationen, Chancen im Gesundheitswesen und in der Landwirtschaft: Bei der Hybrid-Konferenz „Fokus Zentralasien“, die der Ost-Ausschuss am 9. November gemeinsam mit der AKA Ausfuhrkredit-Gesellschaft in Frankfurt am Main organisierte, wurde über eine breite Palette von Kooperationsmöglichkeiten gesprochen. 50 Personen im Saal sowie 200 Interessierte an den Bildschirmen verfolgten die Keynote des usbekischen Premiers Abdulla Aripov und die anschließende Diskussionsrunde. Eröffnet wurde die Konferenz durch die stellvertretende Vorsitzende des Ost-Ausschusses Cathrina Claas-Mühlhäuser.

Aripov betont regionale Zusammenarbeit

Ein Blick auf die Wirtschaftszahlen zeigt, dass in Zentralasien zuletzt eine Menge passiert sein muss: Zweistellige Zuwächse im Handel zwischen Deutschland und Usbekistan waren in den vergangenen Jahren eher die Regel als die Ausnahme. Aber auch innerhalb Zentralasiens hat sich durch einen Wechsel im Präsidentenamt in Usbekistan seit 2016 viel getan. Seitdem seien der regionale Handel in Zentralasien um 56 Prozent und die von der Region angelockten ausländischen Investitionen um mindestens 40 Prozent gestiegen, rechnete Premierminister Abdulla Aripov vor und sprach mit berechtigtem Stolz von einem „dramatischen Wandel“. 

Ein Erfolgsrezept sei die intensivierte regionale Zusammenarbeit insbesondere der beiden größten zentralasiatischen Volkswirtschaften Usbekistan und Kasachstan als „Herzkammern der Region“. Usbekistan habe der interregionalen Zusammenarbeit „höchste Priorität“ eingeräumt, gemeinsam habe man dadurch schwierige Fragen wie etwa die Nutzung von Wasser- und Energieressourcen gelöst, für Stabilität gesorgt und Vertrauen aufgebaut. Dies käme internationalen Investoren und letztlich der gesamten Region zugute.

Gegenseitiges Vertrauen ist gewachsen

Neben der usbekischen Delegation war auch eine hochrangige kasachische Delegation auf Einladung des Ost-Ausschusses nach Frankfurt gereist und bewies damit, wie groß das gegenseitige Vertrauen in der Region bereits gewachsen ist. Almaz Aidarov, Vize-Außenminister der Republik Kasachstan, nahm zusammen mit Shukhrat Vafayev, stellvertretender usbekischer Minister für Investitionen und Außenhandel, an der hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion teil und spielte dabei quasi Doppelpass mit seinen usbekischen Kollegen.

Gemeinsam arbeiten beide Länder an der Vision, die gesamte Region noch stärker zu einer Drehscheibe internationaler Verkehrskorridore zu entwickeln und gleichzeitig zu einem wichtigen Teil internationaler Lieferketten zu machen – auch als Alternative zu China. Deutsche Technologie spiele zum Aufbau lokaler Produktionsanlagen eine Schlüsselrolle. Um diese erfolgreich etablieren zu können und internationale Qualität zu gewährleisten, wünschen sich sowohl Kasachstan als auch Usbekistan Ausbildungspartnerschaften mit der deutschen Wirtschaft. Dazu sei man bereit, Geld in die Hand zu nehmen und etwa auch den Unterricht in deutscher Sprache auszubauen.

Prof. Manfred Grundke, CEO der Knauf Gruppe, nahm diese Steilvorlage dankbar auf. Junge Zentralasiaten könnten in Deutschland angelernt werden und hierzulande den Facharbeitermangel etwas lindern, so Grundke, der Sprecher des Arbeitskreises Zentralasien im Ost-Ausschuss ist. Mit dem in Deutschland gesammelten Wissen könnten die jungen Fachkräfte dann ihre Heimatländer nach vorne bringen und deren Integration in globale Lieferketten beschleunigen.

Von Energie bis Gesundheit

Weitere wichtige Themen auf dem Panel, das von Ost-Ausschuss-Präsidiumsmitglied Prof. Klaus Mangold moderiert wurde, waren die Energiezusammenarbeit, die Möglichkeiten der lokalen Produktion und der Gesundheitssektor. Zur Sprache kam etwa das Potenzial Zentralasiens für erneuerbare Energien. „Zentralasien hat eine einzigartige Kombination von Sonne und vorhandener Exportinfrastruktur“, sagte Manfred Grundke. Diese biete gute Voraussetzungen für den Export von grünem Wasserstoff nach Europa.“ Minister Vafayev wies allerdings darauf hin, dass die Verfügbarkeit von Wasser in Zentralasien ein Problem sei.

Cathrina Claas-Mühlhäuser, Vorsitzende des Gesellschafterausschusses des Landmaschinenherstellers Claas, der in Usbekistan und neuerdings auch in Kasachstan montieren lässt, wies auf Vorteile und Grenzen der Lokalisierung hin: „Wichtig sind gute Mitarbeiter und Lieferanten“, sagte Claas. Lohnenswert sei die Zulieferung aber nur, wenn man sie auch weltweit einsetzen könne. Wegen der jüngsten Lieferkettenproblemen seien Stabilität und Zuverlässigkeit der Lieferanten noch wichtiger geworden sind. Dabei sei auch die Frage gemeinsamer Standards von großer Bedeutung, „Es gibt eine ganze Zertifizierungsindustrie, obwohl wir im Grunde nach den gleichen Normen produzieren“, sagte Manfred Grundke. Die Initiative des Ost-Ausschusses zur Vereinheitlichung technischer Reglements sei daher ganz wichtig.

Im Hinblick auf die Gesundheitswirtschaft wies Bernt Bieber von Siemens Healthineers darauf hin, dass die Pandemie gezeigt habe, dass einzelne Leuchtturmprojekte nicht mehr reichten, sondern es um eine flächendeckende Versorgung gehe. So sei Siemens bei der Einrichtung von 20 neuen Krankenhäusern in Kasachstan im Rahmen von PPP-Projekten engagiert. Andrea Raffaseder, Vorstandsmitglied der Vamed AG, die unter anderem in der onkologischen Versorgung in Usbekistan aktiv ist, wies darauf hin, dass den Kunden wichtig sei, gelieferte Technologie auch nachhaltig betreiben zu können.

Claas lobte zur Eröffnung die Reformpolitik

Viel Lob für die aktuelle Wirtschaftspolitik beider Länder hatte es zuvor von Seiten der stellvertretenden Ost-Ausschuss-Vorsitzenden Cathrina Claas-Mühlhäuser und AKA-Geschäftsführer Marck Wengrzik gegeben, die die Konferenz in Frankfurt eröffneten. Claas-Mühlhäuser lobte die erzielten Reformfortschritte, die die Regierung Aripov umgesetzt habe, um die Wirtschaft anzukurbeln. „Wir dürfen feststellen, dass die usbekische Regierung Wort und Kurs gehalten hat, dafür danken wir Ihnen sehr“, sagte Claas-Mühlhäuser. Mit Blick auf die Situation im Nachbarland dankte Claas-Mühlhäuser der usbekischen Regierung auch für die jüngste logistische Unterstützung der Bundeswehr bei den Evakuierungen aus Kabul. „Die engen deutschen Wirtschaftsbeziehungen mit Zentralasien sind dabei ein wichtiger Faktor, weil sie einen Beitrag zum wirtschaftlichen Aufschwung und damit auch zur Resilienz der Region gegen Extremismus leisten“, sagte die stellvertretende Ost-Ausschuss-Vorsitzende. „Aber auch wir in Deutschland, in Europa werden von der engeren Verflechtung mit dieser Region profitieren.

Deutsch-Usbekischer Wirtschaftsrat traf sich am Vortag

Bereits am Vortag kamen deutsche Unternehmen und die usbekische Delegation zur fünften Sitzung des Deutsch-Usbekischen Wirtschaftsrates unter der Leitung der beiden Co-Vorsitzenden, Premierminister Aripov und Prof. Manfred Grundke, zusammen. In einer lebhaften Diskussion standen unter anderem die Themen Energieeffizienz und Erneuerbare Energien, Logistik und Ausbildung im Fokus. Anschließend wurde Bilanz gezogen. Insgesamt seien bisher 120 Verträge mit einer Gesamtsumme von 2,7 Milliarden US-Dollar vereinbart worden. Die Sitzung wurde in Kooperation mit dem Ost-Ausschuss organisiert.

Andreas Metz, Christian Himmighoffen
Abteilung Presse und Public Affairs

Ansprechpartner

Eduard Kinsbruner
Regionaldirektor Zentralasien
Tel.: 030 206167-114
E.Kinsbruner@oa-ev.de

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