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Ein Korridor mit Kasachstan

Michael Harms, Geschäftsführer, Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft Nurlan Onzhanov, Außerordentlicher und Bevollmächtigter Botschafter der Republik Kasachstan in Deutschland Roman Vassilenko, Außerordentlicher und Bevollmächtigter Botschafter der Republik Kasachstan in Belgien Stefan Geisperger, COO International Business & Consulting, DB Engineering & Consulting GmbH Foto: Tatiana Bratkina
12.11.2025
Das 44. Treffen des Berliner Eurasischen Klubs (BEK) in Brüssel widmete sich dem Logistikgroßprojekt Global Gateway

Das 44. Treffen des Berliner Eurasischen Klubs (BEK) in Brüssel am 12. November stand ganz im Zeichen des geopolitisch immer bedeutsamer werdenden Transkaspischen Korridors. Über 50 hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Logistik und Verkehrsinfrastruktur diskutierten die Zukunft dieses strategischen Handelswegs und die Rolle Kasachstans in der europäischen Konnektivität.

Der Mittlere Korridor entwickelt sich zunehmend zu einer bedeutenden Alternativroute für den Handel zwischen Asien und Europa. Angesichts globaler Unsicherheiten, zunehmender Risiken auf traditionellen Routen und einer wachsenden Nachfrage nach resilienten Lieferketten rückt er immer mehr ins Zentrum der europäischen Konnektivitätsdebatte.

Kasachstan baut Infrastruktur mit Rekordgeschwindigkeit aus

Kasachstan spielt dabei eine Schlüsselrolle. Das Land positioniert sich als logistisches Rückgrat des Korridors und baut seine Infrastruktur mit Rekordgeschwindigkeit aus. Wie der amtierende Verkehrsminister Zhanibek Taizhanov in seiner Keynote betonte, trägt der Transportsektor inzwischen rund zehn Prozent zum kasachischen Bruttoinlandsprodukt bei und wächst seit Jahren zweistellig. In die Infrastruktur wurden allein in den vergangenen zehn Jahren 35 Milliarden US-Dollar investiert, bis 2030 sollen weitere 15 Milliarden US-Dollar folgen.

Michael Harms, der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, machte in seinem Beitrag deutlich, dass die EU-Initiative Global Gateway weit mehr ist als eine reine Ost-West-Verbindung. Er formulierte drei zentrale Punkte:

1.    Global Gateway fördert Interregionalität: Es geht um die Stärkung des europäischen Nachbarschaftsraums und die bessere Anbindung von Regionen entlang des Korridors.
2.    Investitionen folgen dem Handel: Mit unzureichender Logistik geraten selbst vielversprechende Rohstoffprojekte ins Stocken.
3.    Europa braucht verlässliche Lieferwege. Aufgrund der geopolitischen Entwicklungen entsteht ein klarer Bedarf, Güter sicher, stabil und planbar in die EU zu bringen.

Der EU-Parlamentarier Sergey Lagodinsky brachte die politische Dimension auf den Punkt: Europa müsse den Blick erweitern – geografisch, wirtschaftlich und strategisch. Der Mittlere Korridor sei nicht nur ein Handelsweg, sondern auch Teil der europäischen Resilienzstrategie, da er einen sicheren, nachhaltigen und geopolitisch unabhängigen Zugang zu zentralasiatischen Märkten und Ressourcen biete.

Erweiterung der Umschlagkapazitäten im Kaspischen Raum entscheidend

Derzeit dauert der Transport über den Nordkorridor via Russland rund zwölf Tage. Im Mittleren Korridor sind es noch 40 bis 60 Tage, das erklärte Ziel sind 30 Tage. Stefan Geißerberger von DB Engineering & Consulting hob hervor, dass die kasachische Eisenbahninfrastruktur gut ausgebaut sei. Nun komme es entscheidend auf die Erweiterung der Umschlagkapazitäten im Kaspischen Raum an. Heinrich Kerstgens von Rhenus SE & Co. KG ergänzte, dass der Korridor funktioniere, wenn seine Einzelsegmente optimiert würden: „Wir brauchen nicht unbedingt große, sondern regelmäßig verkehrende Schiffe nach Fahrplan“, sagte Kerstgens. Zudem sei der Ausbau der Bahnverbindung von Aserbaidschan nach Georgien essenziell.

Auch im Luftfahrtsektor treibt Kasachstan den Ausbau konsequent voran. Darhan Katyshev, Vizevorsitzender des kasachischen Luftfahrtkomitees, berichtete von der aktiven Entwicklung von sechs Luftverkehrshubs sowie einer staatlichen Initiative zur Produktion von Flugbenzin. Aktuell werden 30 bis 40 Prozent des Kerosins importiert. Mittelfristig soll Kasachstan jedoch vollständig eigenversorgt sein.

Schlüsselland für die Zukunft der eurasischen Konnektivität

Das 44. Treffen des Berliner Eurasischen Klubs machte deutlich: Der Mittlere Korridor ist längst mehr als ein logistisches Alternativprojekt. Er wird zu einem strategischen Bestandteil der europäischen Global-Gateway-Agenda und zu einem zentralen Pfeiler in den Beziehungen zwischen der EU, Deutschland und Kasachstan. Durch massive Investitionen in die Infrastruktur, neue Luft- und Seehäfen, Digitalisierung und grüne Energie positioniert sich Kasachstan als stabiler, moderner und verlässlicher Partner – und als Schlüsselland für die Zukunft der eurasischen Konnektivität.

Vladimir Nikitenko
Regionaldirektor Zentralasien

Kontakt

Vladimir Nikitenko
Regionaldirektor Zentralasien
T. +49 30 206167-114
V.Nikitenko@oa-ev.de

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