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Osthandel bleibt trotz Dämpfer Stütze des deutschen Exports

Foto: Pixabay
07.02.2024
Exportsteigerungen in Südosteuropa und Zentralasien können historischen Einbruch des Russland-Geschäfts nicht kompensieren/ Wachstumsschwäche in Mittelosteuropa dürfte 2024 überwunden werden

Der historisch beispiellose Einbruch im Russland-Handel um 75 Prozent und die schwache Konjunktur in Deutschland und Mittelosteuropa haben dem deutschen Osthandel erwartungsgemäß einen Dämpfer verpasst. Das zeigen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes für das Gesamtjahr 2023, die der Ost-Ausschuss aktuell ausgewertet hat. Der Wert der mit den 29 Zielländern des Ost-Ausschusses gehandelten Güter ging gegenüber dem Vorjahr um 6,5 Prozent zurück. Dazu trugen auch niedrigere Importpreise insbesondere für Energieträger und Rohstoffe maßgeblich bei. Ohne Russland wäre der deutsche Osthandel 2023 stabil geblieben. Insgesamt handelte Deutschland mit der Region aber erneut Waren im Wert von über einer halben Billion Euro: Die deutschen Einfuhren aus Mittel- und Osteuropa sowie Zentralasien gingen wertmäßig um 9,9 Prozent auf 261 Milliarden Euro zurück, die Ausfuhren dagegen nur um drei Prozent auf 274 Milliarden Euro.

„Auf die 29 Staaten Mittel- und Osteuropas sowie Zentralasiens entfallen weiter über 18 Prozent des gesamten deutschen Außenhandels – mehr als auf China und die USA zusammen“, betont die Ost-Ausschuss-Vorsitzende Cathrina Claas-Mühlhäuser. „Der Osthandel ist damit weiterhin eine wichtige Stütze für den deutschen Export.“ Allein auf die elf EU-Länder in der Region entfielen 2023 16,4 Prozent des deutschen Außenhandels. „Dies unterstreicht nochmals, wie wichtig für die deutsche Wirtschaft die EU-Osterweiterung war, deren 20-jähriges Jubiläum wir dieses Jahr feiern“, so Claas-Mühlhäuser. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass es 2023 auf den drei größten regionalen Absatzmärkten Polen (-3,7 Prozent), Tschechien (-6,1 Prozent) und Ungarn (-4,3 Prozent) konjunkturbedingt Exporteinbußen gab. Aktuell gehen die meisten Experten davon aus, dass die Wachstumsdelle in dieser Ländergruppe 2024 überwunden wird. Neuen Schwung erwartet die Ost-Ausschuss-Vorsitzende auch vom Regierungswechsel in Polen. „Der deutsch-polnische Wirtschaftsmotor kann ein Schrittmacher für Europa werden“, sagt sie. „Die Freigabe eingefrorener EU-Mittel wird die Wirtschaft in Polen ankurbeln und damit auch den vielen deutschen Unternehmen in Polen und ihren Beschäftigten zugutekommen.“

Über zehn Jahre nach der Aufnahme Kroatiens 2013 müsse die EU endlich wieder beitrittsfähig werden und damit Anreize für notwendige Reformen in den Kandidatenländern setzen, fordert der Ost-Ausschuss. „Die jahrzehntelange Hängepartie für die Länder des Westlichen Balkans beschädigt die Glaubwürdigkeit der EU, spielt dadurch anderen geopolitischen Akteuren in die Hände und bremst die wirtschaftliche Entwicklung in Europa“, betont die Ost-Ausschuss-Vorsitzende. Umgekehrt würden von einer Erweiterung des europäischen Binnenmarktes dringend benötigte Konjunkturimpulse ausgehen. „Für die deutsche Wirtschaft ist die Region mit Blick auf kurze Lieferwege und den Abbau geopolitischer Risiken unverzichtbar“, sagt Claas-Mühlhäuser. „Je mehr Länder EU-Standards übernehmen, desto besser für uns.“

Trotz geopolitischen Gegenwinds teils kräftige Exportsteigerungen

Insbesondere in Rumänien, Bulgarien und Serbien sowie in den Ländern des Südkaukasus und Zentralasiens erreichten deutsche Unternehmen 2023 trotz des geopolitischen Gegenwinds ordentliche Exportsteigerungen. Die Exporte in die Ukraine stiegen ebenfalls kräftig um 44,7 Prozent auf fast sieben Milliarden Euro, auch aufgrund der Lieferungen von Militär- und Hilfsgütern. Die Importe aus dem Land gingen dagegen um neun Prozent zurück, obwohl die EU die Einfuhr ukrainischer Produkte nach Kriegsbeginn erleichtert hat. „Es gibt ein großes Interesse der deutschen Wirtschaft am Sourcing in der Ukraine“, sagt Claas-Mühlhäuser. „Voraussetzung dafür ist aber ein störungsfreier Warenverkehr in die EU“. Zu den ohnehin schon langen Wartezeiten an den Grenzen kamen zuletzt noch Blockaden der Landwirte und Logistikunternehmen in den Anrainerstaaten aus Protest gegen ukrainische Konkurrenz. „Wird das Problem mit den Lieferketten aus und in die Ukraine nicht grundsätzlich gelöst, bremst dies den gesamten Wiederaufbau des Landes und belastet damit auch die EU selbst“, fürchtet Claas-Mühlhäuser. „Das müssen alle bedenken, die hier Sand ins Getriebe streuen.“

Die wirtschaftliche Entflechtung der deutschen Wirtschaft von Russland ist in den Handelszahlen deutlich ablesbar: Der deutsche Handel mit Russland schrumpfte 2023 um drei Viertel auf 12,6 Milliarden Euro. Die Ausfuhren gingen nach der Ausweitung von Sanktionen um 38,7 Prozent auf 8,9 Milliarden Euro zurück. Die früher von Energieträgern dominierten Einfuhren sanken nach dem Beginn des Ölembargos Anfang 2023 um 90 Prozent auf nur noch 3,7 Milliarden Euro. Unter den deutschen Handelspartnern fiel Russland 2023 noch hinter Slowenien auf Platz 38 (2022: Platz 14). 

Sanktionen: Schlupflöcher müssen geschlossen werden

Zum Einbruch im Russland-Handel trägt auch der anhaltende Rückzug deutscher Unternehmen vom russischen Markt bei. Dabei richtet sich der Fokus der Unternehmen auch auf Zentralasien und den Südkaukasus. „Es wäre falsch die steigende Nachfrage nach deutschen Produkten in diesen Ländern einfach auf Sanktionsumgehung in Richtung Russland zu schieben“, betont Claas-Mühlhäuser. Die Neuorientierung vieler Unternehmen und die kräftige Konjunktur in der Region spielten eine wichtige Rolle. „Unsere Position ist hier glasklar: Sanktionsumgehungen müssen im konstruktiven Dialog mit den Ländern verhindert, Schlupflöcher geschlossen werden“, sagt Claas-Mühlhäuser. „Jedes sanktionierte Gut, das Russland erreicht, ist eines zu viel.“ Zugleich aber müssten Deutschland und die EU ihre Wirtschaftsbeziehungen mit diesen aufstrebenden Märkten konsequent ausbauen und sich dort nachhaltig als Partner empfehlen. „Länder wie Kasachstan und Usbekistan gewinnen als alternative Wirtschaftsstandorte, Rohstofflieferanten und Handelspartner rasant an Bedeutung“ sagte Claas-Mühlhäuser. „Wir dürfen das Feld nicht einfach China überlassen. Europa muss hier viel präsenter sein, mit Know-how und auch mit Kapital. Es ist höchste Zeit, dass die EU hier handfeste Ergebnisse in Form von Projekten vorweisen kann.“

 

Kontakt

Christian Himmighoffen
Leiter Presse und Kommunikation
T. +49 30 206167-122
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