Direkt zum Inhalt

Die Ukraine im Superwahljahr 2019

02.05.2019
Reformkurs muss fortgesetzt werden/ Im Herbst stehen Parlamentswahlen an

Seit der „Revolution der Würde“, die mit den Protesten im Herbst 2013 auf dem Kyiver Maidan begann und sich im Frühjahr 2019 zum fünften Mal jährt, hat die Ukraine einen steinigen Weg zurückgelegt. Zur Annexion der Halbinsel Krim durch Russland und dem Krieg im Osten des Landes kamen besonders in den Jahren 2014 bis 2017 große wirtschaftliche Schwierigkeiten. Allerdings – und dies muss angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen umso höher eingeschätzt werden – wurden auch zahlreiche grundlegende Reformen im Land angestoßen. 

Das öffentliche Beschaffungswesen wurde digitalisiert und wird nun transparent über das Portal ProZorro abgewickelt. Der staatliche Gaskonzern Naftogaz – jahrelang ein Verlustbringer und Quelle von Korruption und Misswirtschaft - wurde restrukturiert und erwirtschaftet wieder Gewinne. Die Dezentralisierungsreform gibt Kommunen mehr Luft zum Atmen und erweitert die Entscheidungsspielräume der Bürgermeister, die schon zahlreich genutzt werden. Auch die Reform des Bankensektors, im Zuge derer rund 80 marode Banken geschlossen wurden, hat dem Land eine größere Stabilität verliehen. 

Überwältigende Mehrheit für Newcomer

Die Präsidentschaftswahlen am 21. April haben eine überwältigende Mehrheit für Volodymyr Selenskij gebracht. Der Politikneuling und TV-Star hat den bisherigen Amtsinhaber Petro Poroshenko mit über 73 Prozent der abgegebenen Stimmen deutlich geschlagen. Nun geht es darum, die gelungenen Reformansätze fortzuführen und weiter zu entwickeln. Hier sind alle ukrainischen Politiker in der Pflicht, ihre Verantwortung für das Land wahrzunehmen. 

Der Präsident hat in der Ukraine große Befugnisse in der Außen- und Sicherheitspolitik, kann aber nur relativ wenig Einfluss auf die Wirtschaft nehmen. Bedeutsamer für die wirtschaftliche Entwicklung und die Zukunft der Reformpolitik sind daher die Wahlen zur Werchowna Rada, dem Parlament der Ukraine, die im Herbst 2019 stattfinden. Hier wird sich zeigen, ob die ukrainische Bevölkerung den Reformweg der gegenwärtigen Regierung mitgehen will. 

Viele richtige Entscheidungen

Aus Sicht ausländischer Unternehmen wurden in den vergangenen Jahren viele richtige Entscheidungen getroffen. In der Folge hat beispielsweise das Handelsvolumen der Ukraine mit Deutschland 2018 mit sieben Milliarden Euro wieder das Niveau des Vorkrisenjahres 2013 erreicht, nach teilweise zweistelligen Einbrüchen in den Jahren 2014 und 2015. Die ukrainische Wirtschaft exportiert auch Dank des inzwischen abgeschlossenen Assoziierungsabkommens mit der EU mittlerweile weit mehr nach Deutschland und in die EU als noch vor fünf Jahren. Dies deutet daraufhin, dass sich die ukrainischen Unternehmen inzwischen immer mehr den EU-Standards annähern.

Der Ost-Ausschuss – Osteuropaverein (OAOEV) stand in den vergangenen fünf Jahren in engem Dialog mit seinen ukrainischen Partnern - wie auch mit allen 29 Partnerländern östlich und südöstlich von Deutschland, die insgesamt für rund 20 Prozent des deutschen Außenhandels stehen. Für die Zukunft wird es in der Ukraine darauf ankommen, dass Präsident und Regierung auch in neuer Konstellation das Reformtempo hochhalten und die Bemühungen um Entbürokratisierung, gute Regulierung und Transparenz im Verwaltungshandeln weiter vorantreiben. 

Im Vergleich zu seinen Nachbarländern schöpft das Land sein industrielles Potenzial, seine Möglichkeiten im Handel und die Chancen, die eine Vielzahl (ingenieurs)technisch sehr gut ausgebildeter Absolventen bietet, noch nicht optimal aus. Diese Stärken müssen gezielt weiterentwickelt werden, um das Land in der Digitalwirtschaft, im Agrarsektor und in der Leichtindustrie noch tiefer in europäische Wertschöpfungsketten zu integrieren. 

Stefan Kägebein 
Regionaldirektor Osteuropa im OAOEV

 

Ansprechpartner

Stefan Kägebein 
Regionaldirektor Osteuropa im OAOEV
Tel.: 030 206167-113
S.Kaegebein@bdi.eu
 

Diese Seite teilen: