Mit dem am 23. Juni 2023 verabschiedeten 11. EU-Sanktionspaket gegen Russland wurde auch der Transit von Dual-Use-Gütern durch Russland sanktioniert. Was bedeutet dieses Transitverbot für Verlader und Spediteure und für den Warenaustausch mit Partnern in Zentralasien? Was geht in der Logistik noch nach Zentralasien und auf welchem Weg? Diesen und weiteren Fragen widmete sich die jüngste die Online-Sitzung des Arbeitskreises (AK) Logistik und Verkehrsinfrastruktur im Ost-Ausschuss am 21. Juli.
Mit dem 11. Sanktionspaket der EU wurden die bisher bestehenden Beschränkungen im Transportbereich ausgeweitet und ein Transitverbot durch Russland für weitere Waren beschlossen. Für Verlader und Spediteure bringe das Paket neue Herausforderungen mit sich. Lieferungen müssen sanktionssicher geprüft, Alternativrouten gefunden und veränderte Transportzeiten und Kosten gemanagt werden. Die bereits praktizierten dreifachen Prüfungen - durch den Exporteur, den Spediteur und die Versicherung -, ob Waren sanktioniert sind, sind nun noch erweitert worden. Dazu nutzen Logistikunternehmen Datenbanken, die täglich aktualisiert werden.
Bei der Suche nach Alternativrouten verlagerte sich der Fokus vorwiegend auf die „Südroute“, den sogenannten Mittleren Korridor via Kaukasus und Kaspisches Meer, die zuletzt eine um bis zu 40 Prozent höhere Nachfrage verzeichnete. Jedoch weist dieser Weg noch viele Bottlenecks auf. Die Kapazität dieser Route ist deutlich kleiner, die Transportzeiten verdoppeln sich ungefähr, und die Kosten liegen um 30 bis 40 höher als über die Nordroute. Die Wartezeiten für eine RoRo-Fähre über das Kaspische Meer beträgt aktuell rund sieben Tage.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass nichtsanktionierte Güter weiter auf der „nördlichen“ Route transportiert werden. Übereinstimmend berichteten Spediteure, dass auf dieser Route keine operativen Schwierigkeiten entstehen, sie sei weiterhin sicher und transparent. Lediglich uneinheitliche Interpretationen in den Zollämtern der Baltischen Staaten führen mitunter zu Verunsicherung. Auch haben sich einige Versicherer aus dem Russlandgeschäft zurückgezogen.
Dennoch erwarten alle Spediteure, dass die Nutzung der Südroute mittelfristig zunehmen wird. Dementsprechend bauen sie ihr Angebot in dieser Richtung aktiv aus. Die Warenströme verschieben sich weiter. Während früher einige Unternehmen Güter über Moskau in die zentralasiatischen Länder lieferten und dort verzollten, erfolgt deren Belieferung heute häufig direkt. Das führt zu einem weiteren Ausbau des Mittleren Korridor. In jüngster Zeit wurden die Abstimmungen und Planungen zwischen den beteiligten Ländern verbessert. Besonderer Bedarf besteht nach höheren Frequenzen und Taktungen, einem saisonalen Ausgleich der Transportnachfrage und dem Management der Warenströme zwischen Bulk und RoRo.
Diskutiert wurde auch, ob ein alternativer Transit via Iran möglich sein könnte. Allerdings sind auf dieser Route ebenfalls Sanktionen zu beachten, so dass sie gerade bei Dual-Use-Gütern kaum eine realistische Alternative sein kann.
Abschließend wurde von Teilnehmern angeregt, stärker in die Politik zurückzumelden, welche Regularien sinnvoll sind und wo Verbesserungsmöglichkeiten bestehen, um eine wirtschaftliche und politische Benachteiligung der zentralasiatischen Länder zu verhindern.
Dr. Martin Hoffmann
Leiter Arbeitskreis Logistik und Verkehrsinfrastruktur
Dr. Martin Hoffmann
Direktor Strategie und Research
Logistik und Verkehrsinfrastruktur
Energie und Nachhaltigkeit
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