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Finanztipps für Projekte in der Ukraine

Der Finanzierungsworkshop von Ost-Ausschuss und GTAI im Haus der Deutschen Wirtschaft stieß auf großes Interesse. Foto: A. Metz
25.05.2023
Investieren in der Ukraine ist möglich: Im Rahmen eines Workshops von GTAI und Ost-Ausschuss beschrieben acht Experten aktuelle Unterstützungsangebote für Unternehmen 

Am 25. Mai luden Germany Trade&Invest (GTAI) und Ost-Ausschuss zu einem gemeinsamen Workshop zum Thema „Wiederaufbau Ukraine – Wirtschaft in Zeiten des Krieges“ ins Haus der Deutschen Wirtschaft nach Berlin ein. Dabei informierten sich über 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Rahmen von acht Impulsvorträgen deutscher und internationaler Experten über Finanzierungs- und Versicherungsmöglichkeiten für Projekte in und mit der Ukraine. Gleichzeitig wurden Themen für die im Juni anstehende Wiederaufbaukonferenz in London gesammelt.

Bei dem von Gerit Schulze, Senior Manager Ukraine bei der GTAI, und Stefan Kägebein, Ost-Ausschuss-Regionaldirektor für Osteuropa, moderierten Workshop wurde deutlich, dass die Möglichkeiten für deutsche Investoren, Projekte in der Ukraine zu realisieren, im internationalen Maßstab vergleichsweise gut sind. Dafür sorgen insbesondere zwei Instrumente des Bundes, die auch unter den gegenwärtigen Kriegsbedingungen für Unternehmen weiter verfügbar sind: die bekannten Exportkreditgarantien des Bundes (auch als Hermesdeckungen bekannt) sowie die etwas weniger bekannten Garantien des Bundes für Direktinvestitionen im Ausland, die von PriceWaterhouseCoopers (PwC) betreut werden.

Nach Angaben von Thomas Baum, Head of Underwriting bei der Euler Hermes Aktiengesellschaft, wurden im Kriegsjahr 2022 noch Exportkredite im Umfang von 144 Millionen Euro durch Hermesdeckungen abgesichert. Für das laufende Jahr 2023 betrage das Deckungsvolumen bereits 77 Millionen Euro, darunter auch größere Geschäfte im Bereich Pflanzenschutzmittel/Saatgut. Generell schaue man sich aufgrund der Kriegslage das Risiko eines Kreditausfalls besonders aufmerksam an, die Beurteilung des Kriegsrisikos werde im Vergleich zu 2022 etwas differenzierter vorgenommen. Aufgrund dessen gäbe es Überlegungen, Hermesdeckungen für kurzfristige Liefergeschäfte (mit Zahlungszielen von bis zu 360 Tagen) wieder standardmäßig ohne Garantien ukrainischer Banken zu übernehmen und damit den ukrainischen Kunden deutscher Exporteure eine Alternative zur aktuellen Vorkasse-Praxis anbieten zu können. Ein generelles Problem für Hermesdeckungen für sogenannte Bestellerkredite (mit Laufzeiten ab zwei Jahren) seien die von der ukrainischen Nationalbank kriegsbedingt verfügten Beschränkungen bei der Ausfuhr von Devisen. Der Transfer von Gewinnen und Dividenden sei allerdings entscheidend für die Attraktivität der Ukraine für ausländische Investoren. Hier hoffe man auch mit Blick auf die im Juni in London anstehende Wiederaufbaukonferenz auf Lockerungen speziell für Geschäfte unter Beteiligung staatlicher Garantien. Dafür habe sich auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei seiner jüngsten Kyjiw-Reise eingesetzt. 

Garantien des Bundes - Zahlreiche Investitionsprojekte in der Pipeline

Michael Huber-Saffer, Partner bei PwC, stellte das Instrument der Investitionsgarantien des Bundes vor. Die Ukraine sei das erste Land überhaupt, für die der Bund dieses Instrument trotz der Kriegslage grundsätzlich offengehalten habe. Garantien werden auf Einzelfallbasis übernommen, wobei unter anderem der Projektstandort und die Branche Berücksichtigung finden. Grundsätzlich diene das Instrument zur Absicherung neuer Investitionen. Es greife aber auch bei der Erweiterung bereits bestehender Projekte. Die Konditionen seien für die Ukraine vergleichbar mit anderen Ländern. Bei einer Regellaufzeit von 15 Jahre betrage der jährliche Entgeltsatz 0,5 Prozent. Für die Garantien gebe es faktisch weder eine Projektobergrenze noch eine Untergrenze, was sie auch für kleinere und mittelständische Unternehmen interessant machten. Seit Februar 2022 habe der Bund bereits etwa zehn neue Garantien übernommen. Das Interesse deutscher Investoren sei hoch, sodass für zahlreiche weitere Projekte bereits Anfragen oder Anträge vorlägen. Diese würden nun auf Förderungswürdigkeit und risikomäßige Vertretbarkeit geprüft und - je nach Projektfortschritt - dem zuständigen Interministeriellen Ausschuss zur Entscheidung vorgelegt. 

Fördertopf für Kommunen

Ein vergleichsweise wenig bekannter Fördertopf mit großem Potenzial ist der Projektfonds für Vorhaben deutscher Kommunen mit ukrainischen Partnerkommunen. Wie Ulrich Held von der koordinierenden Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) berichtete, habe der Fonds, der vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert wird, seit Kriegsbeginn rund 60 Projekte mit Summen zwischen 50.000 und 250.000 Euro gefördert. Gegenstand seien kommunale Bedarfe, die von ukrainischen Partnern gemeldet wurden und deren Förderung dann mit Hilfe einer deutschen Partnerkommune beantragt wurde. Es gehe dabei um die Überführung von Fahrzeugen wie Schulbusse, Müll- oder Krankenwagen bis hin zur Lieferung von Generatoren und weiterer Technik für die Wärme-, Strom- oder Wasserversorgung. In Deutschland seien mittlerweile über 150 Partnerschaften mit ukrainischen Städten und Regionen entstanden.

Der Bedarf an Förderung dürfte im Rahmen des Wiederaufbaus in nächster Zeit stark wachsen, weshalb einige Diskussionsteilnehmer mit Blick auf London ein ähnliches Förderkonzept auf europäischer Ebene bzw. unter Beteiligung internationaler Finanzpartner vorschlugen. Generell biete eine direkte Verbindung von europäischen Kommunen mit ukrainischen Kommunen ein großes Potenzial, um Wiederaufbaumittel möglichst effizient einzusetzen, europäische Ausschreibungsstandards zu implementieren und korruptionsanfällige Verwaltungsverfahren zu vermeiden.

Weitere Angebote des BMZ

Ebenfalls vorgestellt wurden der Green for Growth-Fund (GGF) und der European Fund for Southeast Europe (EFSE), die ebenfalls vom BMZ gefördert werden und sich beispielsweise auf Projekte im Bereich Erneuerbarer Energien und zur Überwindung fossiler Abhängigkeiten spezialisiert haben. Beide Fonds können sogar in Landeswährung finanzieren, dadurch entfallen Wechselkursrisiken. Kleinere Investitionen deutscher/europäischer privater Unternehmen mit entwicklungspolitischem Bezug werden zudem über das develoPPP-Programm des BMZ finanziert, das die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) über ihre Tochtergesellschaft, die Deutsche Entwicklungs- und Investitionsgesellschaft (DEG) sowie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in 60 Ländern weltweit umsetzt. Aktuell werden zwei neue Projektanträge für die Ukraine geprüft. Die DEG selbst bietet an, als Mitgesellschafter eines Unternehmens, das in der Ukraine investiert, zu agieren. DEG- Beteiligungen werden nach einer gestaltbaren Haltedauer an das betreffende Unternehmen zurückverkauft. Aktuell halte man sich mit diesem Instrument angesichts der bestehenden Risiken aber zurück, hieß es. Eine DEG-Darlehensfinanzierung ist hingegen aufgrund der Devisenausfuhrrestriktionen in der Ukraine derzeit nicht möglich. 

EBRD investiert 1,7 Milliarden

Welche internationalen Finanzierungsstrukturen für den Wiederaufbau der Ukraine herausbilden und welche Aufgaben hier noch zu bewältigen sind, skizzierte Christoph Denk, Managing Director bei der European Bank für Reconstruction & Development in London. Die EBRD ist auch Bestandteil der „Multi-agency Donor Coordination Platform“, einer Steuerungsgruppe, die auf Ebene der G7-Länder den Wiederaufbau organisieren soll. Nach verschiedenen Schätzungen benötigt die Ukraine für den Wiederaufbau mindestens 400 Milliarden Euro. Positiv sei, dass der Finanzierungsbedarf für das Jahr 2023 von rund 14 Milliarden Dollar durch internationale Partner wie die EU bereits weitgehend gedeckt sei. Die EBRD habe 2022 Projekte im Volumen von 1,7 Milliarden Euro finanziert und plane ähnliches auch für das Jahr 2023. „Wir sind `open for business` und finanzieren weiter aktiv Projekte in der Ukraine, überwiegend durch Kredite. Dazu kommen auch Garantieinstrumente zusammen mit lokalen Banken“, erklärte Christoph Denk. Für den Wiederaufbau habe der Internationale Währungsfonds bereits im Frühjahr ein wegweisendes Programm für die kommenden vier Jahre vorgestellt, das auch die Verpflichtung der Ukraine zu Reformen vorsehe. Neu und gemeinsam mit Weltbank und Europäischer Investitionsbank wolle die EBRD ukrainische Ministerien jetzt auch bei Projektvorbereitungen und Implementierung beraten und ukrainische Unternehmen in Fragen des Managements unter den Bedingungen des Krieges unterstützen. Die EBRD berichtete zudem über eine Bestandsaufnahme des ukrainischen Finanzsektors, die sie derzeit durchführe. 

Problem: Versicherungsschutz

Zu den dringend zu lösenden Fragen für Investoren zählt der Versicherungsschutz in der Ukraine. Lenka De Mauro, Head of European and International Affairs beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. verwies auf Ausschlussklauseln in den meisten Versicherungsverträgen für den Kriegsfall. Dies mache die Entsendung von Mitarbeitern aus der EU, aber auch die Versicherung von Transporten in die Ukraine sehr schwierig. Einige wenige Versicherungen seien noch bereit, Transporte im Land zu versichern, täten dies aber komplett ohne Absicherung durch Rückversicherungsunternehmen. Versicherungsschutz für Mitarbeiter aus der EU gebe es allenfalls über Spezialversicherungen über den Londoner Markt. Aktuell gingen die Überlegungen in die Richtung, den lokalen ukrainischen Versicherungsmarkt zu reaktivieren. Ukrainische Erstversicherer, die mit der Wirtschaft kooperieren, könnten im Hintergrund über eine Art internationalen, öffentlichen Risikofonds abgesichert werden. Mittelfristig sei dann zu hoffen, dass private Rückversicherer nach und nach wieder einstiegen. Die Hoffnungen auf Fortschritte ruhen auch hier auf der Wiederaufbaukonferenz in London. 

In den weiteren Vorträgen berichteten Christoph Beeck, Finanz- und Risikovorstand der Pro Credit Bankengruppe in Frankfurt, als einziges deutsches Kreditinstitut seit 2001 in der Ukraine präsent, sowie Vertreter weiterer deutscher Unternehmen vom schwierigen, aber den widrigen Umständen trotzenden Geschäftsalltag in der Ukraine. Zu den positiven Meldungen gehörte dabei, dass es vielen ukrainischen Unternehmen trotz des Krieges gelungen ist, belastbare Bilanzzahlen und Jahresabschlüsse für 2022 vorzulegen, was für Geschäftsbeziehungen mit internationalen Unternehmen und Banken eine Grundvoraussetzung ist. Keine Einschränkungen sehe man ebenfalls beim Zahlungsverkehr und dem Zugang zu Konten in der Ukraine. Herr Beeck sprach mit Blick auf mögliche hermesgedeckte Bestellerkredite die Frage des Selbstbehalts bei den Deckungen an. Die übliche Deckungsquote von 95 Prozent stelle deutsche Banken nicht nur regulierungsbedingt vor große interne Herausforderungen bei der Strukturierung von Finanzierungen in die Ukraine. 

Ausblick

Nach zwei intensiven Stunden verließen alle Beteiligen mit einem großen Erfahrungsschatz an neuen Informationen das Haus der Deutschen Wirtschaft. GTAI und Ost-Ausschuss werden die Reihe fortsetzen und aktuell über die Ergebnisse der Wiederaufbaukonferenz am 21. und 22. Juni 2023 in London berichten. Unternehmensvertreter, die sich für zukünftige Entwicklungen und Veranstaltungen interessieren, können sich an den Service Desk Ukraine im Ost-Ausschuss wenden. Der Service Desk gibt auch ein „Update Recovery Ukraine“ mit allen aktuellen Informationen heraus, das kostenlos abonniert werden kann:

Service Desk Ukraine | Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

Andreas Metz,
Leiter Public Affairs im Ost-Ausschuss

 

Ansprechpartner

Alena Akulich
Leiterin
Service Desk Ukraine
T. +49 30 206167-129
A.Akulich@oa-ev.de

Stefan Kägebein
Regionaldirektor Osteuropa
T. +49 30 206167-113
S.Kaegebein@oa-ev.de

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