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Das digitalisierte Feld

Die ukrainische Vize-Agrarministerin Olga Trofimtseva begrüßte die Diskussion über Klima- und Dürrefolgen. Foto. P. Himsel
18.01.2019
„Big Data“ revolutioniert die Landwirtschaft/ OAOEV-Fachveranstaltungen auf der Grünen Woche mit der Ukraine und Russland

Der Hitzesommer 2018 hat Dürren und ihre Folgen auch in Deutschland ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Seit mehr als einem Jahrzehnt nehmen Extremwetterlagen weltweit zu. Dies stellt die Landwirtschaft und damit die Ernährungssicherheit vor große Herausforderungen. Moderne Technologien der Datenerfassung und -auswertung können einen Beitrag dazu leisten, die Folgen zu reduzieren.

Vor diesem Hintergrund organisierte die Arbeitsgruppe Agrarwirtschaft/German Agribusiness Alliance beim Ost-Ausschuss - Osteuropaverein (OAOEV) im Rahmen des Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) auf der Grünen Woche am 18. Januar eine Paneldiskussion zum Thema „Digital gegen die Dürre“, in der vor allem über IT-Lösungen und deren Umsetzung in China und der Ukraine diskutiert wurden. Kooperationspartner waren das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) und das Deutsch-Chinesische Agrarzentrum.

Drohnen liefern Daten

Die Agrarwirtschaft kann durch effizientes Ressourcenmanagement, Bodenbearbeitungstechnologien und Züchtungsfortschritte einen Beitrag für eine verstärkte Klimaresilienz leisten. Weiterhin bieten technische Neuerungen eine Möglichkeit, die Agrarwirtschaft an extreme Wetterereignisse anzupassen: Moderne Satelliten- und Radartechnik, der Einsatz von Drohnen und Programmen zur digitalen Erfassung und Auswertung sowie die Verknüpfung von Daten bieten viele Möglichkeiten.

„Digitale Landwirtschaft ist in China eine nationale Bewegung“, sagte Qu Dongyu, Vize-Minister für Landwirtschaft. Schließlich seien rund sechs Prozent der westchinesischen Agrargebiete regelmäßig von Dürre betroffen. Nur durch den Einsatz digitaler Technologien und passenden Versicherungen könnten die Landwirte die Risiken aufgrund vorhandener Umwelteinflüsse zukünftig bewältigen.

Die ukrainische Vize-Agrarministerin Olga Trofimtseva begrüßte die Diskussion über Klima- und Dürrefolgen und verwies auf die Bedeutung automatisierter Be- und -Entwässerungssysteme sowie den datengestützten Einsatz von Kulturen, Dünger und Pestiziden zur Minimierung von Ernteverlusten. „Ohne ein effizientes Wassermanagement werden wir die Welt nicht ernähren können,“ sagte sie. Zwar habe die Ukraine gute Böden, die aber in einigen Regionen durch falsche Technologien und fehlenden Fruchtwechsel erschöpft würden. Technologische Entwicklungen würden in ihrem Land vor allem von privater Seite vorangetrieben, um den Export zu steigern.

Sensibilisierung der Landwirte

Die IAMO-Expertin Lena Kuhn stellte neue, digital gestützte Ansätze für ein innovatives Risikomanagement in der Landwirtschaft vor, die im Rahmen von Projekten in Zentralasien getestet wurden. Durch Drohen und Satelliten erfasste Daten könnten helfen, das Risiko für Ernteausfälle genauer zu bestimmen, und eine Basis für indexbasierte Dürreversicherungen bilden. Entscheidend sei dabei die Sensibilisierung der Landwirte für den Einsatz digitaler Technologien und Risikomanagementinstrumente, die zudem technisch und finanziell handhabbar sein müssten.

In der abschließenden Podiumsdiskussion, die von Torsten Spill, dem Co-Vorsitzenden der AG Agrarwirtschaft, moderiert wurde, diskutierten Experten aus China, der Ukraine und Deutschland digitale Lösungen zum Umgang mit Ernteverlusten durch klimatische Veränderungen. Dabei wurde auch hier deutlich, dass die Barrieren zur Anwendung weniger in technischen Problemen, als in den Kosten und der Akzeptanz seitens der Landwirte liegen.

Russland wieder dabei

Digitale Technologien standen auch bei der Fachveranstaltung „Zukunft Effizienz – Deutschland und Russland als Anwender moderner und digitaler Agrartechnologien“ im Mittelpunkt, die die AG Agrarwirtschaft beim OAOEV Rahmen der Grünen Woche gemeinsam mit dem russischen Landwirtschaftsministerium und dem Deutsch-Russischen Agrarpolitischen Dialog organisierte. Dabei wurden Potenziale und Herausforderungen einer deutsch-russischen Modernisierungspartnerschaft im Agrarbereich diskutiert. Erstmals seit vier Jahren beteiligte sich Russland, das nach wie vor den Import vieler westlicher Agrarprodukte sanktioniert, wieder in größerem Umfang an der Grünen Woche.

Der stellvertretende russische Agrarminister Iwan Lebedew gab einen ausführlichen Überblick über die staatlichen Hilfen für die Landwirtschaft und stellte die Programme zur Digitalisierung des Sektors vor, die mit klangvollen Titeln wie „Effizienter Hektar“ darauf abzielen, die landwirtschaftliche Akteure, Behörden und Logistikunternehmen digital zu vernetzen. „Um bessere Ergebnisse zu erzielen, suchen wir nach neuen Technologien“, sagte Lebedew. Chancen für deutsche Anbieter sieht er vor allem bei Hochtechnologien etwa in der Saatgutentwicklung. In anderen Bereichen wolle man „eigene Ressourcen nutzen“.

Der parlamentarische Staatsekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium Michael Stübgen begrüßte die russische Beteiligung an der Grünen Woche. Er wies auf Widersprüche zwischen russischer Agrar- und Industriepolitik hin. So gebe es neue Lokalisierungsanforderungen für Traktoren zu Lasten ausländischer Anbieter. „Für Investitionsentscheidungen sind berechenbare Rahmenbedingungen oft wichtiger als Subventionen“, sagte Stübgen mit Blick auf die russische Agrarpolitik.

In der anschließenden Diskussionsrunde, die erneut von Torsten Spill geleitet wurde, berichteten Vertreter deutscher Tier- und Pflanzenproduzenten sowie von Landtechnikherstellern über ihre Erfahrungen auf dem russischen Markt und digitale Anwendungsmöglichkeiten wie den Drohneneinsatz, die satellitengestützte Überwachung von Feldern sowie die Übermittlung von Standort- und Leistungsdaten von den Maschinen an die Landwirte. Bei all diesen Anwendungsmöglichkeiten spielen Fragen des Datenschutzes eine wichtige Rolle. Dass Russland spät mit der Modernisierung gestartet ist, könnte sich nun auszahlen, meinte Vize-Minister Lebedew: „Wir können die neuesten Technologien anwenden,“ sagte er: „Das gibt uns einen Wettbewerbsvorteil.“

Arbeitsfrühstück zu Russland

Der Startschuss zu den OAOEV-Veranstaltungen auf der Grünen Woche fiel am Morgen des 18. Januar mit dem fast schon traditionellen Russland-Frühstück, das Jens Böhlmann, Leiter der Kontaktstelle Mittelstand, moderierte. Im Mittelpunkt der Vorträge standen die Chancen für deutsche Unternehmen auf dem russischen Agrarmarkt. Dass diese trotz negativer politischer Großwetterlage nicht schlecht sind, betonte Ferdinand Schmitz, Geschäftsführer der German Seed Alliance, der über den erfolgreichen Aufbau eines Zentrums für Saatguterzeugung im russischen Lipezk berichtete. Aufgrund der Angst vor westlichen Sanktionen unternehme Russland große Anstrengungen, Importe zu reduzieren, Produktion zu lokalisieren und die Eigenerzeugung auszubauen. Von den Investitionen in den Agrarsektor – Experten sprechen von einem Anstieg der staatlichen Förderung um fast 30 Prozent in den vergangenen fünf Jahren – könnten auch deutsche Anbieter profitieren. Lob gab es von Schmitz beim Thema Rechtssicherheit: „Für unseren Sektor gibt es ein belastbares Rechtssystem. Es funktioniert vielleicht sogar stringenter als bei uns.“ Schwierigkeiten sieht er beim Thema Bürokratie und Verwaltungsprozessen sowie beim zunehmend volatilen Wechselkurs.

Diese starken Schwankungen des Rubel versuchte anschließend Ulrich Leichtmann von der Commerzbank zu erklären. Er sieht die Gründe weniger in Russland selbst, als in globalen Risiken. Wachsende Rezessionsängste in der Weltwirtschaft träfen insbesondere die Währungen von Schwellenländern. Zudem führten die jüngsten Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed zu einem Rückfluss von Kapital in die Industrieländer, vor allem die USA. Es gebe diesbezüglich aber auch gute Nachrichten: Die Welle der Zinserhöhungen durch die FED neige sich bereits dem Ende zu und eine globale Rezession sei nach Einschätzung seines Hauses nicht zu erwarten.

Seine Moskauer Commerzbank-Kollegin Olga Oznobishina erinnerte an den großen Nachholbedarf in der russischen Agrarwirtschaft. Russland allein nehme jährlich zehn Prozent der weltweit exportierten Landmaschinen ab. Wichtigstes Lieferland sei Deutschland vor Italien, Frankreich, den USA und dem aufstrebenden China. Aktuell stammten noch rund 83 Prozent der Ausrüstung aus dem Ausland. Dies solle sich aber stark ändern, was zu weiteren großen Lokalisierungsanstrengungen führen werde.

Dass diese durchaus vorankommen, belegen Zahlen von EY, die Tadzio Schilling vom German Business Center Moskau vorstellte. Demnach habe es in Russland 2017 einen neuen Rekord bei Investitionsprojekten ausländischer Unternehmen gegeben. Ein Grund dafür seien nach der Abwertung des Rubels die günstigen Lohnkosten gewesen. Mit 32 Investitionsprojekten in Russland habe China dabei 2017 erstmals vor Deutschland gelegen. Dieses folgt auf Platz zwei mit 28 Investitionsprojekten, vor den USA mit 19 Projekten. Der Maschinenbau war 2017 der Sektor, der die meisten Investitionen angelockt habe, bereits gefolgt von der Agrarwirtschaft an zweiter Stelle.


Christian Himmighoffen, Andreas Metz
Abteilung Presse und Kommunikation im OAOEV

 

Ansprechpartner

Dr. Per Brodersen
Geschäftsführung AG Agrarwirtschaft
Tel.: 030 206167-124
P.Brodersen@bdi.eu

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