Direkt zum Inhalt

„Europa braucht den deutsch-polnischen Motor“

Keynot des Botschafters Jan Tombiński, Geschäftsträger der Republik Polen in  Deutschland, Foto: A. Metz
30.01.2025
Neujahrsempfang des Ost-Ausschusses mit Botschafter Jan Tombiński und 250 Gästen / Videobrücke von Berlin in die Ukraine

Der Andrang war groß: Rund 250 Gäste wollten am 30. Januar beim traditionellen Neujahrsempfang des Ost-Ausschusses dabei sein. Unter den Besuchern in der Eventlocation „Deep“ in der ehemaligen Bötzow-Brauerei in Berlin-Prenzlauer Berg waren zahlreiche Botschafterinnen und Botschafter der Ost-Ausschuss-Partnerländer sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Verbänden. Gastredner des Abends war Botschafter Jan Tombiński, Geschäftsträger der Republik Polen in Deutschland, der unter anderem über die Ziele der polnischen EU-Ratspräsidentschaft berichtete, die Anfang Januar begonnen hat.

Nach der Eröffnung durch Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Michael Harms machte Tim Schäfer, Regional President EEMEA bei Ottobock, die Gäste mit dem Ort des Geschehens vertraut: Das Industriegelände der ehemaligen Bötzow-Brauerei wird vom Familienunternehmen Ottobock seit 2010 behutsam weiterentwickelt. Wo einhundert Jahre zuvor Bier gebraut wurde, findet nun unter anderem Forschung an Hightech-Prothesen statt: Der niedersächsische Orthopädietechnikhersteller betreibt am Standort Berlin das Ottobock Future Lab, eine digitale Denkfabrik, in der neuartige Produkte, Technologien und Versorgungslösungen getestet werden. Das Future Lab soll ein verbindender Ort für Arbeit und Forschung und eine „Innovationsschmiede in Berlin“ sein, so Schäfer.

Welche Produkte auf dem Gelände entwickelt werden, demonstrierte anschließend die irakische Influencerin Zainab Al-Eqabi, die bei einer Bombenexplosion in ihrem Heimatland ein Bein verloren hat. Al-Eqabi schilderte eindrucksvoll, wie sie dank modernster Prothesen ihren Alltag meistert und dabei auch als Sportlerin und Model erfolgreich ist.

Haußmann: „Der Ost-Ausschuss ist der große Ermöglicher für die Region“

Der stellvertretende Ost-Ausschuss-Vorsitzende Philipp Haußmann ging anschließend in seinem Jahresausblick auf die aktuellen weltpolitischen Entwicklungen und die bevorstehende Bundestagwahl ein. Es zeichneten sich die „Konturen einer neuen Weltordnung ab“, in der sich Gewichte verschöben und die Macht- und Interessenpolitik an die Stelle der regelbasierten Ordnung trete. „In dieser multipolaren Welt können die europäischen Nationalstaaten nur bestehen, wenn Europa einer der starken Pole dieser Welt ist“, sagte Haußmann. „Und für ein starkes Europa braucht es ein starkes und selbstbewusstes Deutschland.“

Haußmann erhofft sich von einer neuen Bundesregierung, dass diese entschlossen für bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen sorgt und mit den großen und kleinen Ländern im östlichen Europa „Partnerschaften auf Augenhöhe“ pflegt. „Wir erhoffen von der neuen Regierung, dass sie entschieden die Beitritts- und Annäherungsbewegungen der Länder voranbringt, die in die EU streben“, betonte Haußmann. Dazu gehörten alle sechs Länder des westlichen Balkans, Moldau, Georgien und die Ukraine. Gleichzeitig müsse eine neue Bundesregierung in- und außerhalb der EU robust für Investitionssicherheit, verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen und faire Wettbewerbsbedingungen eintreten. „Ich sage das so deutlich, weil für Deutschland und für die deutsche Wirtschaft der Wirtschaftsraum östlich von Deutschland - von den mitteleuropäischen Visegrád-Staaten bis zu den zentralasiatischen Ländern - immer wichtiger werden wird“, sagte Haußmann. Die Chancen seien gewaltig, etwa im Hinblick auf verkürzte Lieferketten, Absatz, Innovation und den Bezug kritischer Rohstoffe und Energie. „Wir werden Ihr Partner sein, wenn es gilt, die Erfolgsgeschichte fortzusetzen“, versicherte der stellvertretende Ost-Ausschuss-Vorsitzende den Gästen. „Der Ost-Ausschuss ist der große Ermöglicher für die und in der Region.“

Haußmann plädierte ausdrücklich für enge deutsch-polnische Beziehungen und lobte das Nachbarland als Innovationspartner der deutschen Wirtschaft. „Was wir gemeinsam in Europa schaffen können, zeigen die polnisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen eindrucksvoll“, sagte Haußmann. „Europa braucht den deutsch-polnischen Motor dringender denn je. Nur dann geht es in Europa voran.“

Tombiński: „Wenn wir in der Ukraine scheitern, werden wir als Europäer scheitern.“

Auch der polnische Botschafter Jan Tombiński warb in seiner Key Note eindringlich für ein starkes Europa. „Ohne Sicherheit werden wir unsere Lebensweise nicht bewahren und unseren Lebensstandard nicht halten können. Im Gegenteil: Die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte sind ohne sie gefährdet“, warnte der Geschäftsträger Polens in Deutschland.

Ausführlich ging Tombiński auf erfolgreiche polnische Unternehmen auf dem deutschen Markt ein, wie Orlen (Tankstellen), Ekoenergytika (Schnellladegeräte für E-Busse), Solaris (Wasserstoffbusse) und das Ärzteportal Jameda, hinter dem das polnische Unternehmen Docplanner steckt. Diese erfolgreichen Unternehmen stünden sinnbildlich für den Aufschwung Polens seit 1989, der durch die schmerzhaften Wirtschaftsreformen der 1990er Jahre ermöglicht worden sei „Die umgesetzten marktwirtschaftlichen Reformpläne in Verbindung mit dem Unternehmergeist und dem Mut der Polinnen und Polen haben uns ermöglicht, dass zu schaffen, was wir heute haben“, betonte Tombiński. „Das Ziel, Europa näher zu kommen, gab uns Anlass zu einem optimistischen Blick in die Zukunft.“

Diese Art von Reformgeist sei nun auch in der EU gefragt, die vor ernsthaften Herausforderungen stehe. „Es geht um die Sicherheit Europas“, sagte der Botschafter Mit Blick auf das Programm der polnischen Ratspräsidentschaft. Polen habe sich zum Ziel gesetzt, die europäische Sicherheit in verschiedenen Dimensionen voranzubringen: äußere und innere Sicherheit, Informations- und Energiesicherheit, sowie wirtschaftliche und Gesundheitssicherheit.

Die EU „veröstlichen“

Angesichts von Russlands Krieg gegen die Ukraine sei eine Stärkung der EU-Verteidigungskapazitäten durch eine starke europäische Rüstungsindustrie dringend erforderlich. „Wir dürfen nicht vergessen, dass sich die russische Aggression gegen die Ukraine auch gegen uns und unsere Werte, Normen und das demokratische System richtet, das wir gemeinsam in Europa geschaffen haben“, mahnte Tombiński. „Wenn wir in der Ukraine scheitern, werden wir als Europäer scheitern.“ Kritisch äußerte sich der Botschafter zum Prinzip „Wandel durch Handel“. Es habe letztlich dazu geführt, dass Europa sich gewandelt habe, indem es schwächer geworden sei.

Eindringlich warb Tombiński auch für die Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit. „Wir brauchen Freiheit für wirtschaftliche Aktivitäten durch Bürokratieabbau“, sagt er. „Ohne wirtschaftliche Belebung werden wir unsere Position verlieren.“ Dazu gehöre auch die Erweiterung der EU Richtung Osten. Polen werde sich für die Erweiterungspolitik engagieren und die Kandidatenstaaten bei der europäischen Integration unterstützen. „Zu oft sprechen wir von den Kosten der Erweiterung, aber zu wenig von den Kosten der Versäumnisse“, sagte Tombiński. „Hätten wir früher gehandelt, würden diese Länder schon heute mit uns arbeiten.“ Es sei Zeit, die EU zu „veröstlichen“, denn der Osten Europas zeige Unternehmergeist und Wachstum und helfe damit auch den westlichen EU-Mitgliedern.

Zum Abschluss und in der anschließenden Fragerunde mit Philipp Haußmann äußerte der polnische Botschafter seine Erwartungen an Deutschland. „Wir erwarten von Deutschland, von der deutschen Wirtschaft und von unseren Handelspartnern, konsequentes Handeln bei der Umsetzung der ‚Zeitenwende‘“, sagte er. Deutschland ist heute die ‚Drehscheibe‘ für Sicherheit und Entwicklung auf unserem Kontinent, weil es Ost und West, Nord und Süd miteinander verbindet.“ Das Weimarer Dreieck und die Zusammenarbeit im Ostseeraum seien ausschlaggebende Instrumente der Entwicklung Europas. „Deutschland sollte mutiger sein und bereit sein, mutige Entscheidungen zu treffen“, forderte Tombiński.

Brücke nach Kiew

Als Diplomat hat Jan Tombiński eine langjährige Karriere hinter sich, die ihn unter anderem als EU-Botschafter für mehrere Jahre auch nach Kyjiw geführt hatte. So rundete am Ende ein symbolischer Brückenschlag in die ukrainische Hauptstadt den Abend ab: Da die Deutsch-Ukrainische Auslandshandelskammer zeitgleich ihren Neujahrsempfang in Kyjiw organisierte, wurden beide Veranstaltungsorte kurzfristig über eine Videobrücke miteinander verbunden. AHK-Geschäftsführer Rainer Perau lud im Gespräch mit Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Michael Harms von Kyjiw aus die deutschen Unternehmen dazu ein, wieder regelmäßiger in die Ukraine zu kommen. Dass es möglich ist, unterstrichen die festlichen Bilder des Empfangs in Kyjiw eindrucksvoll.

So schlug der Ost-Ausschuss-Neujahrsempfang von Berlin aus an diesem Abend eine starke Brücke sowohl nach Polen als auch in die Ukraine. „Schauen Sie mehr nach Osten“, hatte Botschafter Jan Tombiński in seiner Rede den Gästen zugerufen. Den Ost-Ausschuss und seine Mitglieder hat er dabei unzweifelhaft an seiner Seite.


Christian Himmighoffen, Andreas Metz
Leiter Presse und Kommunikation
 

Kontakt

Christian Himmighoffen
Leiter Presse und Kommunikation
T. +49 30 206167-122
C.Himmighoffen@oa-ev.de

Diese Seite teilen:

___