Zu den größten Herausforderungen im Außenhandel oder bei grenzüberschreitenden Investitionen gehören häufig nicht Entfernungen, Zollhürden oder rechtliche Rahmenbedingungen, sondern die Finanzierung und Absicherung von Projekten. Hier konkurrieren deutsche Unternehmen nicht selten mit internationalen Wettbewerbern, die die Finanzierung häufig selbst mitbringen. Der Finanzierung und Absicherung deutscher Exporte und Investitionen war daher am 18. April eine gut besuchte Außenwirtschaftskonferenz Osteuropa, die der Ost-Ausschuss gemeinsam mit der AKA Export and Trade Bank in der AKA-Zentrale mitten im Frankfurter Bankenviertel organisierte.
Marck Wengrzik, Sprecher der Geschäftsführung der AKA Ausfuhrkredit Gesellschaft mbH, hob zu Beginn die Bedeutung Osteuropas und Zentralasiens für den deutschen Außenhandel hervor. Die Entwicklung des Mittleren Korridors als neue Anbindung zwischen Europa und Asien müssen man genau beobachten und unterstützen. Auch im Hinblick auf die Abhängigkeit von strategischen Rohstoffen spielten etwa die Länder Zentralasiens eine wichtige Rolle. „Es ist wichtig, auch in ferne Länder wie Kirgisistan oder Kasachstan zu schauen, die diese Rohstoffe haben.“ Für Projekte im Rohstoffbereich gebe es geeignete Finanzierungsinstrumente wie ungebundene Finanzkredite.
Der eigentliche Anstoß zur Konferenz kam von der Unternehmensplattform Grüne Transformation, die seit gut einem Jahr im Ost-Ausschuss Firmen bei der Umsetzung ihrer Pläne unterstützt. An Projekten herrscht kein Mangel, maßgeschneiderte und wettbewerbsfähige Finanzierungen hingegen sind schwer zu bekommen. Das gilt vor allem für kleine und mittelständische Firmen, die zum Teil herausragende technologische Lösungen entwickelt haben. Dabei machen allein die im Raum stehenden Summen sehr deutlich, dass die Grüne Transformation sowohl wirtschaftlich als auch strategisch die Entwicklung in Mittel- und Osteuropa in den nächsten Jahrzehnten nachhaltig prägen wird. Nach Angaben der EIB wurden in Europa im Jahr 2023 rund 360 Milliarden Euro in grüne Projekte investiert. Christine Lagarde, die Chefin der Europäischen Zentralbank, rechnet mit einem Finanzbedarf von 800 Milliarden Euro bis 2040. Grund genug also Förder- und Geschäftsbanken mit Unternehmen in Verbindung zu bringen, um langfristig tragfähige Lösungen zu finden.
Ulrich Leuchtmann, Head of FX & Commodities Research bei der Commerzbank gab anschließend einen ausführlichen, historisch fundierten Überblick über Zentralasien, dessen geopolitische Lage und den chinesischen Einfluss. Dabei holte er weit aus spann den Faden bis ins 19. Jahrhundert, als Großbritannien und Russland im „Great Game“ um die Vorherrschaft in Zentralasien rangen. Schon damals ging es um Transportrouten etwa zum Indischen Ozean und um Rohstoffe wie die Baumwolle aus der Region. Heute sei China im Rahmen seiner Belt & Road-Initiative ein wichtiger geopolitische Akteur und Kreditgeber in der Region. Dabei seien die chinesischen Konditionen häufig nicht besser als diejenigen westlicher Kredite, aber schneller verfügbar.
Sehr konkret wurde es dann in der anschließenden Podiumsdiskussion zur Absicherung von Exporten, Investitionen und Förderprogramme. Stefan Schmidt von Euler Hermes stellte die Hermes-Instrumente vor, darunter die ungebundenen Finanzkredite für Rohstofflieferungen. 2023 habe es eine große Nachfrage nach Hermes-Deckungen aus Usbekistan und der Ukraine gegeben. Für Ukraine-Geschäfte seien allein 170 Millionen Euro an kurzfristigen Abdeckungen gewährt worden.
Die praktischen Anforderungen eines Anlagenbauers erläuterte Sandra Halver-Simons von der SMS group GmbH. Im Trend seien CO2-freie Großanlagen in der Stahlindustrie wegen deren Förderfähigkeit, konventionelle Stahlherstellung dominiere hingegen weiter in Asien und der Ukraine. In Mittel- und Osteuropa würden Themen wie die Nutzung grüner Energie in der Stahlherstellung wichtiger. Hier erfolge die Finanzierung von Großprojekten auch in Zusammenarbeit mit der EBRD. Ein Problem sei aber der wachsende Dokumentationsaufwand für Umweltanforderungen bei Finanzierungsanträgen. „Das macht einen nicht wettbewerbsfähiger im globalen Umfeld“, sagte Halver-Simons. „Unser deutsches Reporting in die Welt hinauszutragen ist schon sehr anstrengend.“
Die Verfügbarkeit von Finanzierungen ist dabei stark länderabhängig. So sei die Absicherung mit kommerziellen Banken in Polen kein Problem, auf dem Westbalkan dagegen schwieriger, berichtete Ralf Ketteler vom Windparkentwickler wpd Europe GmbH. Die Langfristigkeit der Projekte stelle aber wegen des volatilen regulatorischen Umfelds generell hohe Anforderung an die Finanzierung auch in „A-Ländern“. Dabei sei die Entwicklung teils rasant. So sei die Nachfrage nach grüner Energie in Polen binnen fünf Jahren massiv gestiegen, weil grüne Energie preiswerter sei. Ein Problem sei aber, dass die Instrumente der nationalen Exportversicherer oft nicht griffen, weil wpd Anlagen von internationalen, insbesondere chinesischen Herstellern kaufe. Dessen ungeachtet platzten grüne Unternehmen wie wpd vor Aufträgen.
Für die Ukraine kündigte Christian Hartung von der EBRD nach der geplanten Kapitalerhöhung um vier Milliarden Euro im Dezember vor allem für Aufstockung der Ukraine-Hilfen an. Bis Ende 2024 sollen außerdem Pläne für eine Kriegsversicherung zur Absicherung von Lieferungen in die Ukraine umgesetzt werden.
Um die Frage, wie man den europäischen Green Deal exportieren könnte, drehte sich eine weitere Diskussionsrunde zur Finanzierung von nachhaltigen Projekten in Osteuropa und Zentralasien. Schon jetzt gibt es dafür spezielle Finanzierungsmöglichkeiten etwa im Rahmen von Equity-Beteiligung durch die EBRD. Bei Euler Hermes gilt eine höhere Förderung und ein geringerer Anspruch an den deutschen Wertschöpfungsanteil (30 Prozent) für grüne Projekte.
Anastasiia Bardeha von NOTUS energy schilderte die Probleme langfristiger Finanzierungen im Erneuerbare-Energien-Bereich aufgrund instabiler regulatorischer Rahmenbedingungen und politische Risiken etwa im Westlichen Balkan. Finanzierungsinstitutionen sollten hier mehr Risiken übernehmen und nicht die gleichen Ansprüche wie in etablierten Märkten stellen. „Ich war beeindruckt vom Mut der finanzierenden Banken bei meinem ersten Projekt in Rumänien 2020“, sagte Bardeha. Um Verständnis für die Anforderungen der Banken warb Maximilian Plank von Raiffeisen Bank International AG. Es werde Zeit brauchen, sich an grünes Reporting zu gewöhnen. „Aber es stellt heute auch niemand mehr in Frage, dass man einen Finanzabschluss braucht“, sagte Plank. „Man kann über die Regulatorik schimpfen, oder das Potenzial sehen.“ Der Regulatorik stünden auch große Fördermöglichkeiten der EU gegenüber.
Schwierig ist es vor allem, kleinere Projekte darzustellen und zu finanzieren. Bei kleineren „Tickets“ mit kurzen Laufzeiten ist der Dokumentationsaufwand häufig zu groß. In Italien und Frankreich gebe es gute Erfahrungen mit der Bündelung von Projekten durch mittelständische Unternehmen an einem Standort, z.B. beim Recycling. Deutsche Unternehmen täten sich mit Mittelstandskonsortien dagegen noch schwer. Klar wurde in jedem Fall, dass Banken vermehrt auf Umwelt- und soziale Auswirkungen von Projekten achten. Der grüne Zug ist nicht aufzuhalten.
Christian Himmighoffen
Leiter Presse und Kommunikation
Jens Böhlmann
Direktor Mittelstand
Grüne Transformation
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