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„Das Glas ist halbvoll"

05.08.2016

Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Harms informierte sich in Kiew über die Wirtschaftsreformen

Vom 25. bis 27. Juli absolvierte Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Michael Harms seinen Antrittsbesuch in der Ukraine. In Kiew sprach er mit Wirtschaftsvertretern sowie mit Vize-Premier Stepan Kubiv, der stellvertretenden Außenministerin Olena Zerkal und dem stellvertretenden Leiter der Präsidialadministration Dmytro Shimkiv über den Stand des Reformprozesses. Hier ist sein Bericht:"ProZorro“ heißt das neue Zauberwort der ukrainischen Reformer. Automatisch kommt einem dabei der Rächer mit der schwarzen Maske, im Film verkörpert von Alain Delon, in den Sinn. Und diese Assoziation ist wohl auch mit Bedacht gewählt, denn ProZorro steht für ein transparentes, komplett elektronisches Ausschreibungsverfahren für Staatsaufträge in der Ukraine, das seit 1.August für alle Bewerber obligatorisch ist - eine „Rache“ an den vormaligen Profiteuren von Korruption und Vetternwirtschaft in dem von Krieg und Wirtschaftskrise schwer geprüften Land.

Diese und andere Initiativen hat das Land Menschen wie Dmytro Shimkiv (42) zu verdanken. Shimkiv, ehemals Chef von Microsoft in der Ukraine und jetzt stellvertretender Leiter der Präsidialadministration, zählt zu den Reformmotoren des Landes. Er ist müde und komplett überarbeitet, doch die Resultate können sich sehen lassen: 2016 dürfte die ukrainische Wirtschaft wieder wachsen, die makroökonomische Stabilität ist erreicht, der Kurs der Währung Hrywnja hat sich erholt.

Radikal reformiert wurde auch der Energiesektor des Landes, vormals ein „schwarzes Loch“ im Haushalt. Beim Monopolisten Naftogas wurde ein „unbundling“ eingeleitet, die früher stark subventionierten Preise für die Endverbraucher wurden marktgerecht gestaltet, Bedürftige erhalten individuelle Zuzahlungen und die Überschüsse sollen in einen Energieeffizienzfonds fließen, aus dem dann entsprechende Projekte - auch mit deutscher Hilfe - finanziert werden. Profitieren könnte davon auch die „Initiative Energieeffizienz Ukraine“, an der sich neben der dena und weiteren Partnern auch der Ost-Ausschuss beteiligt und die Energieeffizienz-Maßnahmen für den überalterten Wohnbestand der Ukraine erarbeitet.

Auch der ukrainische Bankensektor wurde reformiert: Ein Drittel aller Banken (meist sogenannte „pocket banks“ von Oligarchen) wurden geschlossen. Im Zuge der Dezentralisierung erhielten ukrainische Regionen mehr Kompetenzen und finanzielle Spielräume. Der Außenhandel wächst wieder, der Verwaltungsaufwand im Steuerrecht soll sich durch die komplette Digitalisierung wesentlich vereinfacht haben. Einhellig stellen aber alle Reformer in der Ukraine fest, dass die Justiz- und Gerichtsreform weiterhin die größte Baustelle sei und immer wieder Rückschritte verursache. Außerdem sei es schwer, die Trägheit des aufgeblähten Staatsapparats schnell zu überwinden. Hier ist Hilfe bei der Verwaltungsreform von Seiten der EU besonders gefragt.

Deutsche Firmen in der Ukraine sprechen mehrheitlich von einer positiven Entwicklung. Das Marktvolumen sei zwar noch weit von den Umsätzen früherer Jahre entfernt, aber in der Agrarwirtschaft, in den Grundstoffindustrien und im Dienstleistungssektor tue sich etwas. Man habe auch ohne den russischen Markt die Lage stabilisieren können, viele ukrainische Unternehmen würden sich auf die EU umorientieren. Sehr groß bleibe allerdings die Herausforderung für die Industriekonglomerate der Ostukraine, Alternativen zum russischen Markt aufzubauen. Faktisch gelöst sei die Problematik der Mehrwertsteuerrückerstattung, auch der Dividendentransfer ins Ausland funktioniere wieder. Problematisch bleibe dagegen die einseitige Orientierung auf wenige Exportgüter. So bezeichnete ein deutscher Manger die Zukunftsaussichten der Ukraine als „Wette auf die Agrar- und Stahlpreise“.

Insgesamt hat die Ukraine bis zu einem erfolgreichen Abschluss der Reformen noch große Herausforderungen zu meistern, dennoch: Die gemachten Schritte sind ermutigend, das Glas der Reformen ist halbvoll!


Michael Harms,
Geschäftsführer des Ost-Ausschusses

Ansprechpartner

Kontakt:

Michael Harms
Tel: 030-2028-1440
m.harms@bdi.eu

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