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Moldau vor wichtigen Entscheidungen

16.09.2013

Geschäftsführer Rainer Lindner in Chișinău und Tiraspol 

Vom 16. bis 18. September 2013 reiste der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses Rainer Lindner zu Gesprächen nach Moldau, um sich über die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage des Landes zu informieren. Moldau verhandelt derzeit ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen, das auf dem EU-Gipfel am 29. November im litauischen Vilnius paraphiert werden könnte. Gleichzeitig versucht Russland das Land für eine Mitgliedschaft in der Zollunion zu gewinnen. 

Mit dem Besuch von Bundeskanzlerin Merkel im August 2012 erlebte die Republik Moldau einen der hochrangigsten Besuche seit der Unabhängigkeit des Landes. Begleitet wurde die Kanzlerin damals von einer Wirtschaftsdelegation, die durch Eckhard Cordes, den Vorsitzenden des Ost-Ausschusses, geleitet wurde. Dieser Besuch war nicht zuletzt Zeichen der Anerkennung, dass es der moldauischen Regierung gelungen ist, den Prozess der europäischen Integration weiter voranzutreiben. Wirtschaftlich hat Moldau die Krise des Jahres 2009 noch immer nicht ganz überwunden. 2012 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um 0,8 Prozent. Ursachen waren Ernteausfälle aufgrund einer starken Dürreperiode sowie eine schwache Güternachfrage aus dem Euro-Raum. Für 2013 gehen Expertenschätzungen von einem Wachstum von rund vier Prozent aus. 

Der Handel mit Deutschland hat sich zuletzt spürbar belebt. Im ersten Halbjahr 2013 gab es im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um zehn Prozent auf 244 Millionen Euro. Der Bestand der deutschen Direktinvestitionen liegt nach Angaben von Germany Trade and Invest (GTAI) derzeit bei 93 Millionen Euro. Als wichtige deutsche Investoren sind die Unternehmen Südzucker, Tirexpetrol/ Marbanaft, Knauff, Dräxlmeier, Leoni und Metro zu nennen. Insgesamt sind rund 140 deutsche oder deutsch-moldauische Unternehmen in der Republik Moldau engagiert. 

Nach einer mehrmonatigen Regierungskrise wählte das Parlament am 30. Mai 2013 den früheren Außenminister Iurie Leanca zum Premierminister. Die erfolgreiche Regierungsbildung erhöhte die Chancen für den Abschluss des Assoziierungsabkommens mit der EU in Vilnius. Die Verhandlungen zu einem vertieften Freihandelsabkommen (DCFTA) konnten bereits im Juni 2013 erfolgreich abgeschlossen werden und sind Bestandteil des Assoziierungsabkommens. 

In seinen Gesprächen mit Premierminister Leanca sowie Wirtschaftsminister Valeriu Lazar diskutierte Lindner über verbesserte Investitionsbedingungen für deutsche Investoren, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Wirtschaftslage des Landes prekär ist. So tragen beispielsweise die Überweisungen von im Ausland lebenden Moldauern mehr als zehn Prozent zum BIP bei. Zugleich ist die Abwanderung qualifizierter Fachkräfte ins Ausland ein großes Problem. Auch deshalb will man verstärkt auf das Thema der Aus- und Weiterbildung und auf das Vorbild der Dualen Berufsausbildung setzen und hofft hier auf stärkeres deutsches Engagement. 

Lindner wies auf verlässliche Rahmenbedingungen für Investoren hin. Dazu gehörten transparente Ausschreibungsverfahren, effiziente Verwaltungsstrukturen, ein konsequenter Kampf gegen Korruption und der Abbau bürokratischer Hürden – Themen, die immer wieder von Unternehmen genannt werden, wenn es um den Investitionsstandort Moldau geht. Zugleich begrüßte Lindner den Willen der Regierung, bis zum EU-Gipfel in Vilnius den Weg für ein Assoziierungsabkommen freizumachen. 

Zentraler Gegenstand eines intensiven Gespräches mit Präsident Nicolae Timofti in dessen Amtssitz war der seit dem 10. September 2013 von Russland verfügte Importstopp für moldauische Weine. Die moldauische Weinwirtschaft konnte zwar zuletzt ihre Abhängigkeit vom russischen Markt auf gut ein Viertel der Exportproduktion reduzieren, dennoch sind die Verluste durch den Importstopp erheblich. Zudem fürchten Unternehmen der Agrarwirtschaft eine mögliche Ausweitung des Importstopps. Dieser wird von russischer Seite offiziell mit Qualitätsmängeln begründet, steht aber offensichtlich im Zusammenhang mit Moldaus EU-Annäherung. Die Bekanntheit moldauischer Produkte gerade in der EU zu steigern, ist insofern essentiell für die weitere Entwicklung und vor allem Diversifizierung der moldauischen Wirtschaft. 

Lindner nutzte seinen Besuch auch für ein Gespräch mit dem Sprecher des Parlaments und langjährigen Botschafter Moldaus in Berlin Igor Corman. Zudem traf er in Tiraspol mit Vertretern der dortigen Wirtschaftskammer zusammen. Tiraspol ist die Hauptstadt des durch eine Demarkationslinie abgetrennten, nach Russland orientierten Landesteils Transnistrien. Insbesondere ging es dort um die zu erwartenden Einschränkungen für Exporte transnistrischer Unternehmen in die Europäische Union mit Inkrafttreten des DCFTA. 

2012 exportierten transnistrische Unternehmen immerhin Waren im Wert von 203 Millionen USD in die EU, was einem Anteil von 29 Prozent aller Exporte entspricht. Hauptabnehmerländer sind dabei Rumänien (29 Prozent), Italien (knapp 13 Prozent) sowie Deutschland (6 Prozent). Sollte die politische Führung Transnistriens die Anpassung der Handelsregulierungen ablehnen, so rechnen die Experten von Berlin Economics de facto mit einem Ende der Exporte nach Europa und einem dauerhaften Rückgang des transnistrischen BIP um etwa 5,2 Prozent. 

Für Moldau insgesamt prognostizieren Experten eine Steigerung der Exporte von zehn bis 15 Prozent mit einer entsprechenden Auswirkung auf das BIP-Wachstum von 5 bis 6 Prozent, sollte die Umsetzung des Assoziierungsabkommens mit der EU gelingen. 

Sollte allerdings auch Transnistrien die DCFTA-Vereinbarungen inklusive der Abschaffung von Zöllen und der Anpassung an Regulierungen an EU-Standards erfüllen, ist ein positiver Effekt für Transnistrien möglich. Die Unternehmensvertreter aus den Sektoren der Nahrungsmittelverarbeitung, Textilindustrie oder Metallverarbeitung sowie weiterer Branchen unterstrichen im Gespräch, dass Sie ein hohes Interesse am Ausbau des Handels mit der EU haben. Zugleich wurden jedoch Vorbehalte geäußert, ob dies unter den derzeit gegebenen politischen Bedingungen möglich sei. Lindner nahm sich viel Zeit für das Gespräch mit den Unternehmern und ermutigte sie, ihre Kontakte in die EU und nach Deutschland zu intensivieren. 

Lindner unterstrich, dass der Ost-Ausschuss sich auch weiterhin aktiv für die Entwicklung der deutsch-moldauischen Wirtschaftszusammenarbeit einsetzen und so beispielsweise die Teilnahme moldauischer Weinproduzenten an der Messe ProWein im März 2014 in Düsseldorf unterstützen wird. 

Anja Quiring
Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

Die moldauische Regierung hat inzwischen eine Liste von mehr als 170 zu privatisierenden Unternehmen bekanntgegeben. Diese Liste kann auf Wunsch bei der Autorin nachgefragt werden.

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